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Interfakultäre Koordinationsstelle für Allgemeine Ökologie (IKAÖ)

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Forschung

VON HECKEN, WIESEN UND BUNTBRACHEN

Landwirte und ihre ökologischen Ausgleichsflächen in der Gemeinde Grossaffoltern

Ergebnisse und Lösungsvorschläge

Interdisziplinäre Projektarbeit in Allgemeiner Ökologie verfasst von Pia Häusler, Elisabeth Oberfeld, Regula Reutemann, Michael Stalder, Michael Stettler, Marc Zoss

Im Zentrum der Studie stehen die Landwirte in der Gemeinde Grossaffoltern, welche nach Richtlinien Integrierter Produktion (IP) produzieren und ihre ökologischen Ausgleichsflächen (öAfl), die sie im Zusammenhang mit den Direktzahlungen gemäss Art. 31b des Landwirtschaftsgesetzes (LwG) ausscheiden. Ziel unserer Forschungsarbeiten war, einen Beitrag zur Ökologisierung der Landschaft in Grossaffoltern zu leisten, dies indem wir die fördernden und hemmenden Faktoren für den ökologischen Ausgleich aufzeigen und Lösungsvorschläge für Landwirtschaft, Gemeinde und weitere Akteure ableiten.

1. Ergebnisse

Rechtliche Rahmenbedingungen

Die Ökobeitragsverordnung (OeBV) schreibt vor, welche Flächen und Objekte dem ökologischen Ausgleich dienen und Beiträge gemäss Landwirtschaftsgesetz erhalten sollen. Die Beiträge für die verschiedenen öAfl sind unterschiedlich hoch. Nicht nur die Pflege- und Unterhaltsleistung, sondern auch der Ertragsausfall soll abgegolten werden.

Für MAURER (1995) liegt der grösste Mangel in der bisherigen Konzeption der OeBV darin, dass sie die Beiträge für öAfl nicht nach deren Qualität bemisst. Die OeBV enthält zwar Bewirtschaftungsauflagen, diese Art des Vollzugs droht jedoch, die ökologischen Ziele zu verfehlen. Die OeBV schreibt vor, ab wann die öAfl gemäht werden dürfen. Der Schnittzeitpunkt (15. Juni) erscheint zu starr. Alle Flächen werden kurz nach dem 15. Juni gemäht, obwohl aus ökologischer Sicht ein gestaffeltes Mähen zu begrüssen wäre. Die Mehrzahl der Pflanzen und Tiere sind weniger auf einen späten, sondern vielmehr auf verschiedene Schnittzeitpunkte angewiesen, weil sie eine möglichst vielfältige Landschaft und heterogene Strukturen benötigen (HEDINGER 1997).

Wichtig in diesem Zusammenhang erscheint uns das Prinzip der Freiwilligkeit. Die Umfrage hat gezeigt, dass heute Landwirte Aspekte der Ökologie und des Landschaftsschutzes grundsätzlich anerkennen. Allerdings muss für sie das Prinzip der freiwilligen Mitarbeit gewährleistet sein.

Die Landwirtschaftsgesetzgebung kann die Forderung nach einer räumlich sinnvollen Lage einer ökologischen Ausgleichsfläche nicht erfüllen. Die Raumplanung ist deshalb gefordert, die Ausscheidung "räumlich sinnvoller" ökologischer Ausgleichsflächen anzuregen (SCHOLZ et al. 1995).

In diesem Sinne hat die Gemeinde Grossaffoltern den Richtplan Landschaft ausgearbeitet. Die im Richtplan festgehaltenen Ziele zur Ökologisierung der Landschaft sollen durch Beiträge nach Pacht- und Nutzungsreglement gefördert werden. Die Kontrolle über den Vollzug der Programme "ökologischer Ausgleich" liegt bei den Ackerbaustellenleitern, ein in der Regel in der Gemeinde wohnhafter Landwirt. Sie begutachten die von den Landwirten eingereichten Beitragsgesuche und leiten sie mit einer Empfehlung an das kantonale Amt für Landwirtschaft weiter.

Naturnahe Flächen

In der Gemeinde Grossaffoltern befinden sich drei Naturschutzgebiete. Für die Pflege und Aufsicht dieser Gebiete ist das kantonale Naturschutzinspektorat zuständig. Allerdings sind nur Teile der Naturschutzgebiete Golihuebweiher und Längmoos in kantonalem Grundbesitz. Weitere Landbesitzer in Naturschutzgebieten sind die Gemeinde, ein Vogelschutzverein und Privatpersonen.

Die ökologischen Landschaftsschutzgebiete laut Zonenplan sind Bachläufe mit Pufferstreifen, Hecken und Gruben. Sie sind im Besitz der Gemeinde. Die Pufferstreifen und die Hecken werden zwar von Landwirten gepachtet, jedoch noch nicht alle als öAfl angemeldet.

Landwirte und ihre ökologischen Ausgleichsflächen

Insgesamt ist im Vergleich mit dem Vorjahr eine grosse Zunahme der öAfl zu verzeichnen (37%). Die Zunahme folgt jedoch hauptsächlich aus der steigenden Anzahl der IP-Betriebe. Gegenüber dem Vorjahr wurden wesentlich mehr Grünbrachen (nach Art. 20 LwG) angelegt. Diese Massnahme scheint die beliebteste zu sein, wenn Ackerland stillgelegt wird.

Ein Vergleich mit der Untersuchung von DREIER et al. (1997) zeigt, dass 1996 viel mehr Bachläufe und Bachpufferstreifen ausgeschieden worden sind als im Vorjahr. Nach dem neuen Pacht- und Nutzungsreglement der Gemeinde müssen die Bachpufferstreifen nach den Vorschriften für extensive Wiesen laut Ökobeitragsverordnung bewirtschaftet werden. Es ist davon auszugehen, dass früher oder später für sämtliche Bachpufferstreifen Beiträge gefordert werden.

Beim wenig intensiven Wiesland konnte eine Abnahme von 210a (17.5%) festgestellt werden. Dies ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass grosse Flächen von wenig intensivem Wiesland in extensive Wiesen umgewandelt wurden. Dies ist nach Ökobeitragsverordnung möglich. Der Anteil der Flächen dieses Typs an den gesamten öAfl bleiben bei 13%.

Für viele Landwirte ist das Ausscheiden von öAfl lediglich ein Erfüllen der Pflichten als IP-Bauer. Alter der Betriebsleiter, Betriebsgrösse, Prozentualer Anteil an öAfl und Erwerbstyp beeinflussen die Wahl des Typs ökologischer Ausgleichsfläche nicht. Ihr Handlungsmuster ist typisch:

  • Die Landwirte scheiden zuerst bestehende Strukturen aus. Dies sind vor allem Hochstammbäume und Hecken, immer häufiger auch Bachpufferstreifen.
  • Anschliessend wird das am wenigsten produktive Land ausgeschieden. Auf diesen Flächen werden meistens extensive Wiesen oder wenig intensiv genutzte Wiesen angelegt.

Die Wiesen liefern noch Ertrag, stören den Fruchtfolgeplan nicht und verursachen kaum Mehraufwand. Zudem kann Dauergrünland einfach in solche Wiesen umgewandelt werden. Obwohl vielen Landwirten der Typ der Buntbrache sehr gut gefällt, hindert sie der teure Samen und das nötige Stillegen der Ackerflächen daran, auch solche anzulegen.

Die im Richtplan Landschaft vorgesehenen Vernetzungsstrukturen befinden sich oft auf wertvollem Ackerland, welches die Landwirte lieber bewirtschaften möchten. Für die Hälfte der befragten Landwirte kommt es nicht in Frage, ihre öAfl an diesen Standorten auszuscheiden. Einige Landwirte nannten als Hindernisgrund, dass die Vernetzungskorridore die maschinelle Bearbeitung erschweren (Wenden mit Traktor), weil sie oft quer zur Bearbeitungsrichtung verlaufen. Einige Landwirte machen das Ausscheiden gemäss Richtplan auch von finanziellen Anreizen abhängig.

Schon DREIER et al. (1997) haben darauf aufmerksam gemacht, dass die Landwirte hier Hilfe von der Gemeinde erwarten. Das heisst, die Gemeinde sollte aktiver werden und mit konkreten Vorschlägen an die Landwirte gelangen, um die Ziele des Richtplanes umzusetzen.

Die Gemeinde Grossaffoltern hat einen Fonds eingerichtet, der die finanziellen Mittel zur Ökologisierung der Landschaft bereitstellt. Wenn Landwirte mehr als die nach IP geforderten 5% öAfl ausscheiden, kann die Gemeinde einen finanziellen Beitrag leisten. Mit der Umsetzung ist die Forst- und Landwirtschaftskommission beauftragt worden.

Aus Angst vor langfristigen Verpflichtungen werden Hecken sehr ungern angelegt. Gemäss DREIER et al. (1997) sind die flächigen Biotoptypen wie extensiv genutzte Wiesen, Streueflächen und wenig intensiv genutztes Wiesland am wirtschaftlichsten.

Allgemein werden Direktzahlungen als notwendiges Übel angesehen. Die Landwirte würden höhere Produktepreise bevorzugen. Direktzahlungen für das Anlegen und Pflegen der öAfl werden dagegen eher befürwortet, da hier ein Ertragsausfall honoriert und eine Leistung für die Allgemeinheit abgegolten wird.

Nach Aussage der Landwirte ist die Pflege der öAfl weniger aufwendig als eine Bewirtschaftung der Flächen. Einige Haupterwerbsbetriebe wären sogar bereit, zusätzliche Pflegearbeiten (Hecken) zu übernehmen.

Die Landwirte schätzen ihre Bewirtschaftung grundsätzlich als ökologisch ein und begründen dies damit, dass sie den Hilfsstoffeinsatz minimieren.

Die Landwirte sehen sich zunehmend in der Rolle des Landschaftspflegers.

Ökologischer Wert der ökologischen Ausgleichsflächen

Die als ökologisch wertvoll bewerteten Flächen sind zum grossen Teil als öAfl angemeldet, machen aber einen kleinen Teil aller öAfl aus. Als besonders wertvoll stufte BOSSERT (Büro Dr. Graf AG, Bern) die Hecken, Bachläufe und das Naturschutzgebiet Längmoos mit Umgebung ein. Dauergrünland, extensiv und wenig intensiv genutzte Wiesen weisen einen kleinen ökologischen Wert auf. Die Standorte sind ungünstig. Die Ausmagerung der Böden ist noch wenig fortgeschritten, die Artenvielfalt noch sehr gering. In vielen extensiven Wiesen ist aufgrund der zum Teil langjährigen sehr intensiven Nutzung, gar kein ursprüngliches Saatgut mehr vorhanden. Auch bei vollständiger Ausmagerung erscheinen nicht mehr alle Arten. Auf solchen Flächen wäre das Einsähen entsprechender Pflanzenarten eine adäquate Massnahme. Zur Beschleunigung der Ausmagerung der Flächen sieht BOSSERT vorübergehend häufigeres Mähen als mögliche Lösung.

BROGGI/SCHLEGEL (1989) haben berechnet, dass es für einen umfassenden Biotop- und Arten-schutz in den land- und forstwirtschaftlichen Gunstlagen des schweizerischen Mittellandes 12% an naturnahen Flächen bedarf. Zum Zeitpunkt ihrer Arbeit waren erst 3,5% naturnaher Flächen in der Kulturlandschaft im Mittelland vorhanden. Gemäss unseren Berechnungen verfügt die Gemeinde Grossaffoltern über 7,1% an naturnahen Flächen und liegt damit deutlich über dem schweizerischen Durchschnitt.

Die Qualität des ökologischen Ausgleichs in Grossaffoltern ist hauptsächlich durch die in der Güterzusammenlegung geschaffenen Strukturen wie Bachläufe und Hecken gegeben. Wichtig sind auch die Naturschutzgebiete. Die ökologische Qualität der übrigen Flächen ist gering. Insofern ist das Ziel der Landwirtschaftspolitik, die Landwirtschaft zu ökologisieren, bis jetzt nur teilweise erreicht worden.

Kommunikation und Zusammenarbeit

Die Landwirte erhalten ihre Informationen mehrheitlich aus der Fachpresse, vom IP-Ring oder von Beratungsstellen. Vielen Landwirten liegt etwas daran, ihr Wissen in Gesprächen an Berufskollegen weiterzugeben und dabei auch ihre eigenen Kenntnisse zu erweitern. Den Richtplan Landschaft haben viele der Befragten auf der Gemeinde eingesehen

In unseren Gesprächen spürten wir oft auch Unsicherheit über die Zukunft vor allem der Haupterwerbslandwirte. Viele, vor allem kleinere Betriebe, könnten sich vorstellen, einem Neben- oder Zuerwerb nachzugehen oder tun dies heute schon. Für viele ist die Existenz auch bei einer Umstellung der Produktionsweise und durch Direktzahlungen nicht gesichert.

In der Gemeinde Grossaffoltern scheint die überbetriebliche Zusammenarbeit schon recht fortgeschritten zu sein.

Lösungsvorschläge

Die öAfl sollten an den ökologisch sinnvollsten Standorten, an den gemäss Richtplan vorgesehenen Standorten ausgeschieden werden. Wir möchten abschliessend einige Wege aufzeigen, wie dieses Ziel vielleicht besser erreicht werden könnte.

Lösungsvorschläge auf Gemeindeebene

  • In 2 Jahren laufen die ersten der 6-Jahresverträge für die öAfl ab. Die Gemeinde könnte den Landwirten konkrete Standorte und Typen vorschlagen und finanzielle Beiträge zusichern. Dass die Landwirte für gleiche Leistung gleiche Beiträge erhalten, ist Voraussetzung.
    • Bei der Umsetzung des Richtplanes sollte versucht werden, bauerngerecht vorzugehen, das heisst, dass bspw. beim Ausgestalten der Ökokorridore die bevorzugte Bearbeitungsrichtung der Felder mitbeachtet wird.
  • Burgergemeinde und Gemeinde Grossaffoltern sind Landverpächter. sie können Nutzungsauflagen erlassen, und so die Ziele des Richtplanes umsetzen.
  • Werden die Auflagen des Pacht- und Nutzungsreglementes, beziehungsweise der ökologischen Landschaftsschutzgebiete verletzt, werden Sanktionsmassnahmen nötig. Da einige Haupterwerbslandwirte bereit wären, mehr Pflegearbeiten zu übernehmen, könnte schlecht gepflegtes Pachtland nötigenfalls an diese weitergegeben werden.
  • Der Bund beteiligt sich an den Kosten für besondere ökologische Leistungen in den Gemeinden falls diese über eine genehmigte Landschaftsplanung verfügen. Sowohl in der Region wie auch auf Gemeindeebene sind Landschaftsplanungen vorhanden. Um Gelder zu erhalten, muss die Gemeinde Verträge mit den Landwirten abschliessen und ein Gesuch an den Kanton stellen.
  • Die Gemeinde übernimmt die Koordination und Information der Landwirte. Anhand konkreter öAfl soll gezeigt werden, für welche Arten diese Standorte geeignet ist und was unternommen werden müsste, um die Qualität dieser zu verbessern.

Lösungsvorschläge für Landwirte

  • In Zusammenarbeit mit der Gemeinde (ev. Schule) sollten Informationstafeln geschaffen werden, welche die öAfl kennzeichnen. Ziel ist, die Bevölkerung für die landwirtschaftlichen Pflegeleistungen zu sensibilisieren.
  • Die Landwirte sollten im Bereich des Naturschutzes noch aktiver werden und die Gemeinde in ihren Aktivitäten unterstützen.

Lösungsvorschläge auf Gesetzesebene:

  • Im Gegensatz zu extensiven Wiesen oder Buntbrachen auf stillgelegtem Ackerland, sind die Beiträge für Grünbrachen zu hoch.
  • Direktzahlungen gemäss 31b LwG sind bei Landwirten beliebter als nach 31a LwG. Es sollten mehr Gelder für ökologische Leistungen gesprochen werden, als für produktionslenkende Direktzahlungen, insbesondere für IP. IP gilt in der Bevölkerung nicht unbedingt als ökologisch.
  • Wenig intensiv genutzte Wiesen sollten nach Ökobeitragsverordnung keine Beiträge mehr erhalten.
  • Der Schnittzeitpunkt für die extensiv genutzten Wiesen sollte gestaffelt werden.
    • Für Buntbrachen sollten höhere Beiträge ausbezahlt werden oder der Samen gratis/günstiger zur Verfügung gestellt werden.
    • Der Bund könnte einen höheren Prozentsatz an öAfl (>5%) vorschreiben.

Literatur

  • BROGGI Mario, SCHLEGEL Heiner 1989: Mindestbedarf an naturnahen Flächen in der Kulturlandschaft. Dargestellt am Beispiel des Schweizerischen Mittellandes. NFP Boden. Liebefeld-Bern.
  • DREIER Suzanne, Huynen Sabine, Indermühle Andreas, Jaggi Martin, Kunz Thomas 1997: Ökologischer Ausgleich und Landschaftsentwicklung in Müntschemier und Grossaffoltern. Interdisziplinäre Projektarbeit in Allgemeiner Ökologie. Universität Bern: Koordinationsstelle für Allgemeine Ökologie.
  • HEDINGER Christian 1997: Landwirtschaftlich genutztes Grünland als Lebensraum für Pflanzen. Am: Symposium Naturschutz und Landwirtschaft. Universität Bern.
  • MAURER, Hans 1995: Naturschutz in der Landwirtschaft als Gegenstand des Bundesrechtes unter besonderer Berücksichtigung der Melioration. Dissertation Universität Zürich
  • SCHOLZ, Roland W., Koller Theo, Mieg Harald A., Schmidlin Corinne 1995 (Hg.): Perspektive Grosses Moos. Wege zu einer nachhaltigen Landwirtschaft. Fallstudie 94 des Lehrstuhls für Umweltnatur- und Umweltsozialwissenschaften. ETH Zürich.
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