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Interfakultäre Koordinationsstelle für Allgemeine Ökologie (IKAÖ)

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Forschung

Die Naturschutzorganisationen im bernischen Seeland

Eine Untersuchung über Naturschutzorganisationen im Gebiet der beiden Planungsregionen Erlach/östliches Seeland (EOS) und Biel-Seeland

Denise Steiner 1998

Lizentiatsarbeit im Fach Ethnologie, Universität Bern

1. Die Arbeit

Die Arbeit setzt vier verschiedene Themenschwerpunkte:

  1. Grundlage bildet eine umfassende Beschreibung der elf Organisationen. Neben den wichtigsten organisationsspezifischen Merkmalen (Grösse, Jahrgang, finanzielle Mittel), werden Fragen zu den Ressourcen, Handlungsmöglichkeiten, Zielen und Vorgehensweisen der einzelnen Organisationen geklärt.
  2. Ein zweiter Schwerpunkt liegt in der Beschreibung der Kontakte, die Organisationen untereinander und zu anderen nichtstaatlichen, sowie staatlichen AkteurInnen pflegen.
  3. Ein weiterer Teilbereich der Arbeit befasst sich mit der Beurteilung des Potentials der einzelnen Organisationen, sowie des Netzes, das aus den Kontakten der Organisationen entsteht.
  4. Abschliessend wird geklärt, ob die im regionalen Raumentwicklungskonzept (Entwurf) erwähnte Zielsetzung der Koordination der Naturschutzorganisationen, von diesen erwünscht und der Situation angemessen ist.

Elf Naturschutzvereine bilden die Untersuchungseinheit der Arbeit. In nachfolgender Übersicht sind die Organisationen mit ihrem Namen, ihrem sowie ihrem Tätigkeitsgebiet aufgeführt:

  • Bieler Manifest, Biel, ganze Region EOS/Biel-Seeland
  • Greenpeace, Biel, Stadt Biel
  • Interessengemeinschaft Bielersee (IGB), Biel, Bielersee und Ufergemeinden
  • Interessengemeinschaft Grosses Moos (IGGM), Müntschemier, Westen der Region
  • Jugendnaturschutzgruppe Aarberg, Lyss und Umgebung (JNAL), Aarberg, Südosten der Region
  • Jugendnaturschutzgruppe Schüpfen, Schüpfen, Südosten der Region
  • Naturschutzverein Grosses Moos, Erlach, Westen der Region
  • pro natura Sektion Seeland, Port, ganze Region EOS/Biel-Seeland
  • Verein Bielerseeschutz (VBS), Biel, Bielersee und Ufergemeinden
  • Vogelschutzverein Milan, Biel, Bielersee und einzelne Gemeinden
  • WWF Regionalgruppe Biel-Seeland, Biel, einzelne Gemeinden aus der gesamten Region

2. Beschreibung der Organisationen und Beurteilung ihres Potentials

Die meisten der elf Organisationen sind zwischen 1984 und 1995 gegründet worden. Auf ein längeres Bestehen können die Vereine VBS (1933), IGB (1964) und pro natura (1975) zurückblicken.

Den grössten Verein bildet die IGB mit 1'096 Mitgliedern, gefolgt vom VBS mit 661 Mitgliedern. Die Mitgliederzahl aller anderen Vereine schwankt zwischen 150 und 20. Greenpeace hat als einziger Verein momentan keine Mitglieder. Sieben von elf Organisationen empfinden den Mangel an aktiven Mitgliedern als eine grosse Einschränkung ihrer Handlungsmöglichkeiten.

Bei den finanziellen Mitteln, die den Organisationen zur Verfügung stehen, besteht ein grosses Gefälle. Mit Abstand der finanzstärkste Verein ist der VBS, der Unterstützung aus dem SEVA-Fonds erhält. Die IGB, das Bieler Manifest (Spenden aus der Privatwirtschaft) und der Naturschutzverein Grosses Moos (Unterstützung durch den Kanton Bern) verfügen im Vergleich zu den restlichen Vereinen über relativ grosse Vereinseinkommen. Die Vereine Greenpeace, IGB, IGGM, Jugendnaturschutzgruppe Aarberg empfinden den Geldmangel als grosse Einschränkung für Umsetzungmöglichkeiten.

Über eine professionelle interne Struktur, die sich positiv auf das Potential der Organisationen auswirkt, verfügen die Vereine IGB und VBS. Mangelhaft hingegen ist die interne Strukturierung bei den Vereinen Naturschutzverein Grosses Moos, Greenpeace und WWF.

Laut ihren Zielformulierungen - alle enthalten die für eine regionale Landschaftsentwicklung wichtigen Kriterien- bergen alle Organisationen (ausgenommen Greenpeace) ein grosses Potential für die Region. Die Ziele der Vereine IGB, VBS und IGGM sind hinsichtlich bestimmter in der Region befindlicher Objekte formuliert worden. Ein weiterer Schwerpunkt in den Zielformulierungen bildet die Sensibilisierung der Bevölkerung. Dieser Grundsatz wird vom Verein Bieler Manifest am stärksten umgesetzt. Sein Ziel ist es, eine Animationsfunktion in der Region zu übernehmen und Synergieeffekte herzustellen.

Die Aktivitäten der Organisationen - als wichtiges Kriterium für das Potential - stimmen mit den Zielformulierungen überein. Hinsichtlich der Anzahl Aktivitäten leisten alle Organisationen (ausgenommen Greenpeace und IGGM) einen wichtigen Beitrag zur regionalen Landschaftsentwicklung. Die Schwerpunkte der Vereine Jugendnaturschutz-gruppe Aarberg und Schüpfen, Vogelschutzverein Milan und Naturschutzverein Grosses Moos liegen auf "direkten" Aktivitäten (Naturschutzeinsätze). Hauptsächlich "indirekte" Aktivitäten üben die beiden Vereine Greenpeace (politische Kampagnen, Einsprachen) und Bieler Manifest (Animation/Koordination) aus. Bei allen anderen Vereinen besteht eine Vermischung aus direkten und indirekten Einsätzen.

Vom Fachwissen, dem grossen Engagement und den persönlichen Beziehungen einzelner AkteurInnen profitiert das Potential der Vereine Naturschutzverein Grosses Moos, Bieler Manifest, VBS und IGB besonders stark.

Die meisten Vereine (ausgenommen Jugendnaturschutzgruppe Aarberg und Schüpfen) vernachlässigen die Förderung des Nachwuchses, was sich langfristig negativ auf die Stabilität der Vereine auswirken wird. Die meisten Kriterien zur Erlangung eines grossen Potentials werden von den Vereinen Bieler Manifest, VBS, pro natura und IGB erfüllt. Ihre Effektivität wirkt sich auf die gesamte Region EOS/Biel-Seeland aus. Das Potential der Vereine Vogelschutzverein Milan, Jugendnaturschutzgruppen Aarberg und Schüpfen, sowie des Naturschutzvereins Grosses Moos ist ebenfalls hoch einzuschätzen, beschränkt sich im Vergleich zu erstgenannter Gruppe aber auf geographische und thematische Teilbereiche. Von geringerer Bedeutung sind die Vereine WWF, IGGM und Greenpeace.

3. Kontakte/Vernetzung/Netz der Organisationen

Die elf Naturschutzorganisationen pflegen Kontakte untereinander, zu anderen nicht-staatlichen AkteurInnen (Ökobüros, Nichtregierungsorganisationen, Einzelpersonen wie Jäger, Fischer, Förster, u.a.), sowie zu staatlichen Instanzen (Gemeinden, kantonale Ämter, Stiftungen, Schutzstellen, Planungsverbände, Schulen, etc.). Innerhalb des Organisationennetzes pflegen die Vereine hauptsächlich mit strukturell ähnlichen Organisationen (bezüglich Grösse, Finanzkraft) und mit Organisationen innerhalb ihres jeweiligen Tätigkeitsgebietes Kontakte.

Am meisten Kontakte innerhalb des Organisationennetzes werden von den Vereinen pro natura, Bieler Manifest und IGB, am wenigsten von den beiden Vereinen Greenpeace und IGGM gepflegt. Die grösste Vernetzung besteht zwischen dem Bieler Manifest, der IGB, der pro natura und dem VBS. Die häufigsten Begegnungen finden in Form einmaliger (politische Aktionen, informelle Kotakte, etc.) und regelmässig wiederkehrender (Exkursionen, Vorträge, Einsprachen, Naturschutzeinsätze) Kontakte statt. Nur ganz wenige Kontakte basieren auf einer Zusammenarbeit in langjährigen Projekten. Diese Kooperationsform wird einzig von den grösseren Vereinen IGB, VBS und pro natura gepflegt. Die Interaktionen zwischen den Organisationen setzen sich zusammen aus schwachen und starken Kontakten.

Insgesamt 32 verschiedene AkteurInnen gehören zu weiteren nicht-staatlichen und staatlichen PartnerInnen der untersuchten Organisationen. Gegenstand der Beziehungen ist vorwiegend eine finanzielle und politische Unterstützung, administrative Angelegenheiten, sowie ein Transfer von Expertenwissen. Die 32 PartnerInnen befinden sich zu ungefähr gleichen Teilen innerhalb und ausserhalb der Region EOS/Biel-Seeland. Die Kontakte zu den staatlichen AkteurInnen überwiegen gegenüber jenen zu anderen nicht-staatlichen AkteurInnen. In der Interaktion mit AkteurInnen ausserhalb des Organisationenennetzes gibt es mehrere Organisationen, die nur wenige Kontakte pflegen (Greenpeace, Jugendnaturschutzgruppen Aarberg und Schüpfen, IGGM). Die grössten Anstrengungen, das Organisationennetz auszudehnen, unternehmen die beiden Vereine Bieler Manifest und IGB.

Neben diesen direkten Kontakten der Organisationen entsteht eine Vernetzung durch diverse Veranstaltungen und Projekten, an denen die Organisationen teilnehmen oder die von ihnen teils selbst organisiert werden. Die wichtigste Bedeutung für die Netzintegration haben die Veranstaltungen im Rahmen des Gemeindeforums (Organisation: Bieler Manifest, Teilnahme: Greenpeace, pro natura, Jugendnaturschutz Aarberg, Naturschutzverein Grosses Moos, VBS). Eine gefestigte Teilstruktur bildet die Präsidentenkonferenz, die für die Vereine IGB, pro natura und VBS eine wichtige Form für Interaktion und Kommunikation bietet. Die Präsidentenkonferenz lanciert gemeinsame Projekte und war Ausgangspunkt der PROMESSE. Die PROMESSE, in der über 20 Schutzorganisationen (Bieler Manifest, IGB, Naturschutzverein Grosses Moos, pro natura, Vogelschutzverein Milan, VBS) im Kampf für eine umweltgerechte EXPO 2001 auftreten, hat einen wichtigen repräsentativen Charakter für die Umweltschutzbewegung im Seeland. Einen wichtigen Beitrag zur regionalen Landschaftsentwicklung leisten die beiden Projekte Bielersee 2002 (Organisation: VBS, Teilnahme: IGB, pro natura, Bieler Manifest) und der Biotopverbund (Organisation: Regionalplanungsverband EOS in Zusammenarbeit mit dem Seebezirk des Kt. Freiburg; Teilnahme: pro natura, IGB, IGGM).

In bezug auf alle oben erwähnten Interaktionsformen leisten die Vereine Bieler Manifest, pro natura, IGB und VBS den grössten Beitrag zu einer Vernetzung. Ihr Potential wirkt sich auf die ganze Region EOS/Biel-Seeland aus. Eine deutliche Mehrheit der Organisationen formuliert in ihren Zielen Vernetzungsbestrebungen, befürwortet die Kooperation der Organisationen und hat gute Kenntnisse (als wichtige Voraussetzung für die Vernetzung) über die anderen Organisationen

4. Koordination

Die Zusammenarbeit innerhalb der einzelnen Teilnetzwerke und die Kontakte der Organisationen - obwohl nicht alle Organisationen stark beteiligt sind - kann als positiv bewertet werden. Die Stabilität des Netzes lebt von der Durchmischung verschiedenartiger Interaktionsformen. Seine Dynamik basiert auf dem Prinzip der Freiwilligkeit, der Eigenregie, der Spontaneität und den informellen Kontakten; als typische Merkmale von nichtregierungs-orientierten Organisationsformen.

Die Vielfalt an Aktivitäten, Projekten und Veranstaltungen bringt aber für die meisten Organisationen das Problem einer unübersichtlichen Situation mit sich.

Dieser Missstand könnte durch eine Koordinationsinstanz gelöst werden, die Transparenz im Netz schaffen und zugleich den Organisationen zeitintensive Vernetzungsarbeiten abnehmen würde. Neben diesem Vorteil bringt aber eine Koordination - die den Charakter einer Kontroll- und Machtinstanz trägt - zahlreiche Faktoren mit sich, die sich negativ auf das Netz der Organisationen auswirken würden: das Prinzip der Freiwilligkeit, die Eigenverantwortung und die Spontaneität der Aktionen würden gestört und damit die Dynamik des Netzes gefährdet. Von einer Koordination durch eine aussenstehende Instanz wird zudem abgeraten, weil bereits Strukturen im Netz bestehen, die einen gewissen Koordinationscharakter haben und eine deutliche Mehrheit der Organisationen diese nicht befürwortet.

5. Empfehlungen

Empfehlung an die Organisationen

Ziel ist es, die Transparenz im Netz zu fördern, so dass bei Bedarf die richtigen AnsprechpartnerInnen gefunden werden und das gesamte Organisationennetz einberufen werden kann.

  • Eine Netzübersicht soll in Form eines Organisationstreffens geschaffen werden, an dem die Organisationen die Möglichkeit haben,
    • sich gegenseitig kennenzulernen,
    • Erfahrungen und Ideen auszutauschen,
    • gemeinsame Handlungsfelder zu bestimmen,
    • Unterstützung anzubieten und zu suchen.

  • An einem Treffen soll geklärt werden,
    • wer in den einzelnen Organisationen die Funktion des Ansprechpartners oder Vernetzers innehat,
    • ob das Bedürfnis und die Möglichkeit besteht, bereits existierende Koordina-tionsstrukturen anzuerkennen und auszubauen, oder ob die Koordinations-funktion für eine festgelegte Dauer von jeweils einer Organisation übernommen werden soll,
    • ob das Bedürfnis besteht, eine "homepage" auf dem Internet als Kommuni-kationsmittel einzurichten oder ein Halbjahresbulletin über die Aktivitäten aller Organisationen zu verfassen, dies als Übersichtshilfe (Redaktion im Turnus).

Empfehlung an (mögliche) PartnerInnen der Organisationen

Ziel ist es, das Potential der Naturschutzorganisationen vermehrt zu nutzen und, damit, die PartnerInnen aufzufordern, zukünftig

  • vermehrt Aufträge an Organisationen zu vergeben,
  • Organisationen finanziell zu unterstützen und vorhandene Infrastrukturen und Ressourcen zur Verfügung zu stellen, sowie Gratisleistungen anzubieten,
  • Organisationen vermehrt in Planungen und Umsetzungen miteinzubeziehen,
  • Plattformen anzubieten, wo sich die Organisationen Gehör verschaffen können,
  • ExpertInnen aus Organisationen beizuziehen.

DS/30.4.98

Interfakultäre Koordinationsstelle für Allgemeine Ökologie (IKAÖ) der Universität Bern (1988-2013)
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