IKAÖ - Öffentliche Vortragsreihe Grosschutzgebiete

Weshalb interessieren sich Regionen für die Einrichtung von Grossschutzgebieten?

Der Schweizerische Nationalpark: Natur sich selbst überlassen als Nutzungsform?

Prof. Dr. Heinrich Haller
Direktor Schweizerischer Nationalpark, Zernez

Der Schweizerische Nationalpark (SNP) im Engadin und Münstertal ist das erste Grossschutzgebiet unseres Landes und nach wie vor der einzige Nationalpark. Seit seiner Gründung im Jahre 1914 ist das 172 km2 grosse Gebiet im Bereich des Ofenpasses streng geschützt. Die Natur wird sich selbst überlassen, ihre Dynamik soll sich hier entfalten können. Der Mensch ist beobachtender Gast auf dem 80 km langen Wanderwegnetz. Besondere Bedeutung hat der SNP für die wissenschaftliche Forschung: Er ist eine einzigartige Referenzfläche, um die natürlichen Prozesse langfristig und vom Menschen unbeeinflusst kennenzulernen.

Aufgrund dieser Zielsetzung und seines Schutzstatus ist der SNP gemäss internationalen Kriterien nicht nur ein Nationalpark, sondern ein Wildnisgebiet (Kat. I, IUCN). Innerhalb des SNP kann es keine nachhaltige Entwicklung geben, denn das Geschehen in der Natur wird einzig durch ihren freien Lauf bestimmt. Frühere Befürchtungen, wonach sich ohne das Dazutun des Menschen im Park katastrophale Ereignisse ergeben würden, sind unbegründet geblieben: Weder Rothirsche und Borkenkäfer noch Schneedruck und Windwurf konnten die Parknatur destabilisieren.

Über die Naturinhalte hinaus hat der SNP eine grosse touristische Bedeutung: Studien haben ergeben, dass die Wertschöpfung des Nationalparktourismus rund 17 Mio. CHF beträgt. Damit ist der SNP rein wirtschaftlich gesehen eine der wichtigsten Institutionen im Raum mittleres/unteres Engadin–Münstertal. Insofern kann der SNP durchaus zur nachhaltigen Entwicklung der Region beitragen.

 

 


© 2002, IKAÖ, Universität Bern, Letzte Änderung: 23.12.2002 /