IKAÖ - Öffentliche Vortragsreihe Grosschutzgebiete

"Grossschutzgebiete als Motoren einer nachhaltigen Regionalentwicklung?
Erfahrungen mit ausgewählten Schutzgebieten in Europa"

Univ. Prof. Dr. Ingo Mose
Institut für Umweltwissenschaften
Hochschule Vechta (Deutschland)

a.o. Prof. Dr. Norbert Weixlbaumer
Institut für Geographie und Regionalforschung
Universität Wien (Österreich)

 

Kontroverse, auch widersprüchliche Positionen kennzeichnen die gegenwärtige Debatte um die Ausrichtung der Gebietsschutzpolitik in Europa. Diese betreffen gleichermaßen Sichtweisen und Äußerungen seitens Bevölkerung, Naturschutz, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft hinsichtlich der Einrichtung und Entwicklung von Schutzgebieten. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Rolle, die den unterschiedliche Typen von Grossschutzgebieten beigemessen wird. Trotz oder gerade wegen der Uneinheitlichkeit der Positionen wird dabei unzweifelhaft deutlich: Fragen zu Funktion und Bedeutung von Grossschutzgebieten – und zur Gebietsschutzpolitik insgesamt - haben während des letzten Jahrzehnts einen kontinuierlichen Bedeutungsgewinn erfahren, der auch und gerade in der Intensivierung des wissenschaftlichen Diskurses zum Ausdruck kommt. Standen dabei lange Zeit Fragen der raumplanerischen Implementierung von Grossschutzgebieten im Mittelpunkt des Interesses, so hat sich dieses mittlerweile auf die Frage nach der Rolle von Grossschutzgebieten als Instrumente einer nachhaltigen Regionalentwicklung verschoben.

Basierend auf ihren historischen Wurzeln im Naturschutz des 19. Jahrhunderts, waren Grossschutzgebiete ursprünglich primär als „Reservate“ zur Konservierung von Natur und Landschaft gedacht. Die Gründung der ersten Nationalparks in den USA und die europäischen Nachfolger (z.B. Sarek-Nationalpark in Schweden, Gran Paradiso-Nationalpark in Italien, Schweizerischer Nationalpark) geben davon beredt Zeugnis. Heute übernehmen Grossschutzgebiete jedoch mehr und mehr auch eine Funktion als Instrumente der Regionalentwicklung, von denen vor allem für periphere ländliche Räume nachhaltige Entwicklungsimpulse erwartet werden. Dieser Perspektivenwechsel kann als paradigmatischer Wandel vom statischen (konservierenden) zum dynamischen (integrativen) Gebietsschutz beschrieben werden. Naturschutz und Regionalentwicklung werden damit gleichermaßen vor neue Herausforderungen gestellt, da sich mit dem skizzierten Funktionswandel der Grossschutzgebiete vielfältige neue Aufgaben für Planung und Politik ergeben.
Auffällig ist, dass der paradigmatische Wandel vom statischen zum dynamischen Gebietsschutz insbesondere über die Einführung und Durchsetzung „neuer“ Schutzgebietstypen vollzogen wird. Im Mittelpunkt stehen hierbei Biosphärenreservate bzw. –parks, von denen im Verlauf des letzten Jahrzehnts in verschiedenen europäischen Ländern zahlreiche neu eingerichtet worden sind. Ebenso gilt dies für die Regionalparks des romanischsprachigen und die Naturparke des deutschsprachigen Europas, die heute zunehmend als Instrumente der Regionalentwicklung angesehen werden. Hinzu kommt, dass auch schon bestehende, traditionelle Schutzgebietstypen, wie z.B. der Nationalpark, punktuell eine Neuinterpretation erfahren, die dem Modell des paradigmatischen Übergangs entspricht. Angesprochen sind bei all diesen Ansätzen ausdrücklich verschiedene – integrative - Dimensionen der räumlichen Entwicklung, die Naturschutz und Regionalentwicklung miteinander zu verbinden suchen: von der Land- und Forstwirtschaft über Handwerk und Gewerbe bis zu Tourismus, Verkehr, Kultur, Bildung sowie Umwelterziehung.

Der Vortrag thematisiert die zentrale Frage nach der möglichen Rolle von Grossschutzgebieten als Motoren einer nachhaltigen Regionalentwicklung aus einer europäischen Perspektive. Dabei sollen sowohl theoretische als auch empirische Aspekte des Themas Berücksichtigung finden. Im Einzelnen wird auf folgende Aspekte eingegangen werden:

  • Historische Entwicklung der Gebietsschutzpolitik in Europa
  • Paradigmenwechsel vom statischen zum dynamischen Gebietsschutz
  • Typen von Grossschutzgebieten in Europa
    - Fallstudien ausgewählter Schutzgebiete:
    - Nationalpark Hohe Tauern (Österreich)
    - Peak National Park (Großbritannien)
    - Parc Naturel Regional des Grands Causses (Frankreich)
    - Naturpark Ötscher-Tormäuer (Österreich)
  • Grossschutzgebiete als Instrumente eine nachhaltigen Regionalentwicklung? Eine kritische Zwischenbilanz

Die Referenten, Univ.-Prof. Dr. Ingo Mose, Institut für Umweltwissenschaften, Hochschule Vechta (Deutschland) und ao. Prof. Dr. Norbert Weixlbaumer, Institut für Geographie und Regionalforschung, Universität Wien (Österreich) sind seit Jahren intensiv mit Fragen der Gebietsschutzpolitik befasst und haben verschiedene empirische Untersuchungen zur Entwicklung von Grossschutzgebieten, vorrangig in Europa, durchgeführt. Einige davon dienen als Fallstudien für ihren gemeinsamen Beitrag zur Vortragsreihe.

 


© 2002, IKAÖ, Universität Bern, Letzte Änderung: 23.12.2002 /