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Interfakultäre Koordinationsstelle für Allgemeine Ökologie (IKAÖ)

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Forschungsfeld BNE

Ausgangslage und Problemstellung

1. Ausgangslage

Nachhaltige Entwicklung steht heute auf der internationalen und nationalen politischen Agenda. Die Agenda 21 - sie ist eines der Dokumente, das an der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung (UNCED), im Juni 1992 in Rio de Janeiro verabschiedet wurde - stellt einen Aktionsplan für das 21. Jahrhundert dar. Sie ist Ausdruck eines globalen Konsenses und wurde von 179 Staaten, darunter auch die Schweiz, unterzeichnet. Das Dokument verpflichtet diese Staaten, Strategien für eine nachhaltige Entwicklung zu erarbeiten. Unter "nachhaltiger Entwicklung" wird in den Dokumenten der Vereinten Nationen eine Entwicklung auf einen Zustand hin verstanden. Dieser Zustand ist dann erreicht, wenn jeweils alle gegenwärtigen Menschen und die zukünftigen Generationen ihre (Grund)Bedürfnisse befriedigen und ein gutes Leben führen können und wenn dies (durch die weitere Entwicklung) auch für die Zukunft gesichert wäre. (Hauff, 1987). Diese Idee stellt einen Paradigmenwechsel dar, bezüglich des Umgangs mit aktuellen Problemfeldern. Nachhaltige Entwicklung umfasst die drei Wert-Dimensionen "Ökologie", "Wirtschaft" und "SozioKulturelles". Diese drei Dimensionen müssen gleichwertig integriert und als ein Spannungsfeld begriffen werden (Müller-Christ, 2000.). Im Begriff der "Nachhaltigkeit" liegt nun genau die Chance, dieses Spannungsfeld zu beschreiben und zu thematisieren.

Den Begriff der nachhaltigen Entwicklung verwenden wir hier im Sinne der Vereinten Nationen und nicht als Leitbegriff der Forstwirtschaft (wo der deutsche Begriff ursprünglich herkommt) oder als synonym für überdauernd. Das Leitbild der Nachhaltigkeit ist zu verstehen als regulative Idee, weil der Zustand der Nachhaltigkeit an sich nie erreicht werden kann - es ist in diesem Sinne ein dynamischer Zustand. Nachhaltigkeit muss immer wieder neu ausgehandelt und daraus eine nachhaltige Entwicklung bestimmt werden.

In diesem Zusammenhang steht eine weitere wichtige Anforderung dieser Idee. Sie besteht darin, dass möglichst alle Menschen an einer nachhaltigen Entwicklung teilhaben und diese zusammen mit anderen gestalten sollen. Der Bildung wird in der Agenda 21 ein ganzes Kapitel gewidmet. Dort wird die Notwendigkeit betont, die Menschen für Umwelt- und Entwicklungsprobleme zu sensibilisieren und "sie an der Suche nach Lösungen zu beteiligen" (Keating, 1993, 57). Dafür müssen sie jedoch gewisse Fähigkeiten, Kenntnisse und Haltungen mitbringen. In dieser Hinsicht kann Schule bzw. eine Bildung für eine nachhaltige Entwicklung einen Beitrag leisten. In der Agenda 21 wird erwartet, dass "Erziehung [...] den Menschen Umwelt- und ethisches Bewusstsein, Werte und Einstellungen, Fähigkeiten und Verhaltensweisen vermitteln [kann], die für eine nachhaltige Entwicklung unerlässlich sind" (Keating, 1993, 57). Es ist zentral, genau festzulegen, worin genau die Aufgabe der Schule besteht, wie sie die Menschen auf die neuen Anforderungen hin vorbereiten kann.

Es gibt innerhalb der Erziehungswissenschaft viele pädagogische Querschnittsbereiche, von denen anzunehmen ist, dass sie zum Teil Ziele und Anliegen mit ähnlicher Stossrichtung verfolgen (z.B. die Friedenserziehung, Gesundheitserziehung, Umweltbildung, Eine-Welt-Pädagogik). Einige pädagogische Querschnittbereiche richten sich gar am Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung aus. Es sind bestehende Querschnittbereiche, die sich traditionellerweise schwergewichtig mit einer Dimension von Nachhaltigkeit (z.B. Umweltbildung mit der ökologischen Dimension) beschäftigt haben und nun ihre Konzepte auf die anderen Nachhaltigkeitsdimensionen ausweiten (ohne jedoch mit einzubeziehen, dass es pädagogische Querschnittbereiche gibt, die sich seit jeher mit den anderen Dimensionen beschäftigt haben). Die drei Dimensionen werden in der Regel auch nicht gleichwertig integriert.

Die oben genannte Vielfalt an Querschnittsbereichen ist unter Umständen befruchtend für die Pädagogik in Theorie und Praxis. Die Wichtigkeit der einzelnen Bereiche ist in vieler Hinsicht auch unbestritten. Es besteht jedoch die Gefahr der Lähmung oder der Oberflächlichkeit für die konkrete Bildungsarbeit in den Schulen. Die vielen Impulse und Anforderungen können von den Lehrkräften gar nicht mehr aufgenommen bzw. umgesetzt werden. Die Querschnittbereiche gelangen somit in eine Konkurrenzsituation um die Aufmerksamkeit der Lehrpersonen. Eine Abwehrhaltung, welche nicht auf rationalen Entscheidungskriterien beruht, ist eine mögliche Konsequenz. Oder aber die Lehrperson bezieht alle Anliegen in den Unterricht mit ein und bleibt notgedrungen oberflächlich.

2. Problemstellung

Aus den oben genannte Gründen ist es nachvollziehbar, dass Bildung für eine nachhaltige Entwicklung nicht als zusätzlicher Querschnittbereich in die Bildungslandschaft gesetzt werden soll, sondern dass das Verhältnis zu anderen pädagogischen Querschnittbereichen geklärt werden muss, dass die Erfahrungen, Kenntnisse und Begründungen aus diesen Querschnittbereichen zu diskutieren und hinsichtlich einer Bildung für eine nachhaltige Entwicklung fruchtbar zu machen sind.

Fragen wie die folgenden sind zurzeit unbeantwortet: Inwiefern decken bzw. unterscheiden sich die Ziele? Könnte man Bildung für eine nachhaltige Entwicklung als Teilbereich politischer Bildung auffassen oder ist Bildung für nachhaltige Entwicklung ein übergeordnetes, integrierendes Konzept? Diese Problematik hat die "Arbeitsgruppe Umweltbildung der Kommission Lehrerfortbildung EDK Ost" an einer Klausurtagung im Jahre 1996 bereits als offene Frage formuliert: "[...] eröffnet auch eine neue Sicht auf die Zusammenhänge zwischen der Umweltbildung, der Gesundheitsförderung, der Suchtprävention, der interkulturellen Pädagogik, der Gewaltprävention usw. Wie lässt es sich vermeiden, dass sie alle als getrennt erscheinende pädagogische Querschnittbereiche behandelt und von den ohnehin überlasteten Lehrern weitgehend abgelehnt werden? Wie kann man sie stattdessen trotz ihren unterschiedlichen historischen und didaktischen Hintergründen im 'Lernen für eine nachhaltige Gesellschaft' zusammenführen?" (S. 20). Dieser fehlende theoretische Gesamtrahmen wird auch von Becker (2000) vermerkt: "Ein Bildungsverständnis, das einer nachhaltigen Entwicklung angemessen ist, kurz, ein 'nachhaltiges Bildungsverständnis', [...] benötigt einen erweiterten und vertieften Gesamtrahmen von Bildung, der systematisch Umweltbildung, Eine-Welt-Pädagogik, kulturelle Bildung, politische Bildung und andere übergreifende Bildungsbereiche verbindet und curricular verankert sowie neu gewichtete oder weitergehende Kompetenzen einschliesst" (S. 264f.).

Eine Bildung für eine nachhaltige Entwicklung soll Erkenntnisse und Forschungsergebnisse aus den pädagogischen Querschnittpädagogiken fruchtbar machen. Zum Beispiel existieren im Bereich der politischen Bildung diverse Instrumente, um die relevanten thematischen Bereiche politischer Bildung in der jeweiligen geschichtlich-politischen Situation zu bestimmen (vgl. z.B. Hilligen, 1985 oder Sutor, 1991).

Es bedarf auf der Ebene der Ziele und Prinzipen weiterer Forschung, vor allem was ihre Begründung und ihre Konkretisierung auf die einzelnen Schulstufen betrifft. In Bezug auf die Unterstufe ist dieser Mangel besonders eklatant. Bildung für eine nachhaltige Entwicklung muss bereits in der Grundschule einsetzen, sollen die Kompetenzen zur Realisierung einer nachhaltigen Entwicklung aufgebaut werden.

Es zeigt sich jedoch auch, dass sich die Ziele bzw. die Kompetenzen, die bei den Kindern und Jugendlichen aufgebaut werden sollen, nur mehr oder weniger plausibel, aber nicht letztendlich begründen lassen. Aus diesen Gründen erscheint es angebracht, die in der theoretischen Diskussion formulierten Ziele einer Bildung für eine nachhaltige Entwicklung einer theoriegeleiteten Synthese zuzuführen und mittels eines Experten- und Expertinnenverfahrens zu überprüfen und zu konkretisieren, damit sie im Unterricht umsetzbar werden.

Literatur

  • Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. (1997). Umweltpolitik. Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung im Juni 1992 in Rio de Janeiro. Dokumente. Agenda 21. Bonn.
  • Arbeitsgruppe Umweltbildung der Kommission Lehrerfortbildung EDK Ost (Hg.) (1996): Die ökologische Verantwortung in der Schulentwicklung. Ein Arbeitsbericht. Klausurtagung der Arbeitsgruppe Umweltbildung, 2./3. Mai 1996, Balzers. Zürich: Pestalozzianum, Fachstelle Umwelterziehung.
  • Becker, G. (2000): Vom ökologischen Lernen zur Bildung für eine nachhaltige Entwicklung. Osnabrück: Universitätsverlag Rasch.
  • Di Giulio, A. (2004). Die Idee der Nachhaltigkeit im Verständnis der Vereinten Nationen. Anspruch, Bedeutung und Schwierigkeiten. Münster.
  • Hauff, V. (Hg.) (1987): Unsere Gemeinsame Zukunft. Brundtland-Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung. Greven.
  • Hilligen, W. (1985): Zur Didaktik des politischen Unterrichts. Wissenschaftliche Voraussetzungen. Didaktische Konzeptionen. Unterrichtspraktische Vorschläge. Opladen: Leske + Budrich.
  • Keating, M. (1993): Erdgipfel 1992: Agenda für eine nachhaltige Entwicklung. Eine allgemein verständliche Fassung der Agenda 21 und der anderen Abkommen von Rio. Genf: Centre for Our Common Future.
  • Müller-Christ, G.(1998): Wider die zentrale Bewertung von Nachhaltigkeit. Ein Vorschlag für eine lokale Konstruktion einer nachhaltigen Entwicklung. In: Zeitschrift für angwandte Umweltforschung, Heft 3-4, 1998, S. 321-337
  • Sutor, B. (1991): Politische Bildung als Praxis. Grundzüge eines didaktischen Konzepts. Schwalbach/Ts.: Wochenschau Verlag.
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