Öffentliche Vortragsreihe JUGEND & UMWELT"Konsumkids im Öko-Clinch"
Eröffnung der Vortragsreihe durch Prof. Alfred H. Geering, Vizerektor der Universität Bern Prof. Ruth Kaufmann-Hayoz, Interfakultäre Koordinationsstelle für Allgemeine Ökologie, Universität Bern
Prof. August Flammer, Institut für Psychologie, Universität
Bern Jugendliche wollen sich als Wirkende erleben und leiden darunter, wenn sie sich als blosse Manipuliermasse vorkommen. Da reagieren sie häufig mit offenem oder verstecktem Protest und gleichzeitigem Versuch, sich selbst exemplarisch als Bewirker von Effekten zu erleben. Sich selbst als wirksam zu erleben, ist allerdings ein Anliegen aller Menschen; bei Jugendlichen nimmt es nur spezielle Formen an. Menschen, die sich auf breiter Linie als ohnmächtig erleben, leiden darunter, haben einen tiefen Selbstwert, sind bald einmal demotiviert und neigen zu Depression. Gerade weil Jugendliche relativ unkompromittiert auf diese Welt zugehen und eine lange Lebensspanne vor sich sehen, sind sie für Umweltprobleme im Durchschnitt sehr sensibel. Ihre häufige Erfahrung der relativ geringen persönlichen Wirksamkeit provoziert sie; auf Dauer lähmt sie viele von ihnen. Dabei werden gerade in diesem Fall sehr spezielle Formen der Nichtwirksamkeit sichtbar, z.B. die, dass viele Ziele nur erreichbar wären, wenn viele Menschen sie in parallelen Handlungen anstreben würden, oder die, dass entscheidende Randbedingungen fehlen, oder die, dass die Meinung besteht, dass andere, z.B. die Regierung, hier handeln müssten. Umweltbewusstsein und Umweltängste Jugendlicher und daraus resultierende Konsequenzen für die Umweltbildung Prof. Ulrike Unterbruner, Institut für Didaktik der Naturwissenschaften,
Universität Salzburg Zahlreiche Studien belegen eine besondere Sensibilität von Kindern und Jugendlichen für Umweltprobleme: Umweltthemen und der Schutz der Umwelt werden als interessant und vorrangig eingeschätzt, Sorgen und Ängste auf Grund von Umweltverschmutzung und Naturzerstörung in einem beträchtlichen Ausmass geäussert. Bei der Erhebung von Zukunftsvorstellungen skizzieren Jugendliche im wesentlichen drei Arten von zukünftigen Welten: Eine pessimistische, von Fabriken, Autos und Hochäusern dominierte Welt, in der Luft und Wasser zunehmend verschmutzt und Wälder weitgehend zerstört worden sind. Eine optimistisch stimmende Welt hingegen ist üppig grün, ein Stück Paradies, Harmonie. Die dritte, ambivalente Variante enthält sowohl Elemente einer gestörten wie auch einer intakten Umwelt.
Ich, du und es: Unsere Beziehungen zu Natur und Umwelt und neue Möglichkeiten der Umwelterziehung unter besonderer Berücksichtigung jüngerer Kinder Dr. Marco Hüttenmoser, Dokumentationsstelle Kind und Umwelt, Muri
(AG) / Marie Meierhofer-Institut für das Kind, Zürich In einer kurzen Situationsanalyse wird zunächst darauf hingewiesen, dass die Frage, welche Auswirkungen die alltägliche Umweltsituation auf Schwangerschaft, Geburt und die erste Lebenszeit der Kinder haben, völlig offen ist. Etwas mehr wissen wir über die Aus-wirkungen von Umweltkatastrophen in dieser Zeit. Haben die Kinder gehen gelernt, so steht fest, dass ein grosser Teil von ihnen vom Motorfahrzeugverkehr daran gehindert wird, in einen lebendigen und selbständigen Dialog mit Natur und Umwelt zu treten. Dem Fernsehen seinerseits muss der Vorwurf gemacht werden, dass es zwar durchaus wertvolle Informationen vermittelt, diese jedoch durch Werbung ständig auf völlig unverantwort-bare und schizophrene Weise in eine Haltung des Konsumierens und des Unbedingt-Haben-Müssens einbettet. Auf Grund einer eingehenden Analyse historisch-anthropologischer Erkenntnisse
wird im zweiten Teil der Ausführungen abgeleitet, dass die Gesellschaft,
der Staat die Bedingungen des Aufwachsens so gestalten müssen, dass
sie die Grenzen des Mensch-Seins, zum Beispiel seine Grundtendenz zu überbordendem
Konsum, einbeziehen. Kinder sind von Anfang an zur aktiven Rezeptivität
gegenüber der Umwelt anzuhalten. Diese beinhaltet, dass die Dinge
und Lebewesen der Umwelt - das "Es" - zu einem beachteten und
geachteten "Du" werden.
Kinderpartizipation und -mitsprache: Die neue internationale Gesetzgebung Dr. Marie-Françoise Lücker-Babel, Die Rechte des Kindes
International, Schweizer Sektion, Grand-Lancy Kindermitsprache und -partizipation ist mit der Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes in die schweizerische Gesetzgebung eingeführt worden. Es ist ein Kinderrecht, das den Staat dazu verpflichtet, nicht nur auf jegliche illegale Einmischung in seine Ausübung zu verzichten, sondern wirksame Massnahmen zu seiner Förderung zu treffen (Information, Treffmöglichkeiten, direkte und indirekte Zuschüsse, usw.). Kinder-rechte haben zum Zweck, den Schutz und die Förderung der menschlichen Würde der Kinder zu sichern: dies ist nur möglich, wenn auf ihre "körperliche, geistige, seelische, sittliche und soziale Entwicklung" geachtet wird. Der physischen und affektiven Umwelt, in der Kinder aufwachsen, kommt also eine zentrale Rolle zu, sowie den Grundsätzen der Nichtdiskriminierung, des Kindeswohls und der vorrangigen Rolle der Familie. Dies alles sind Themen, die die Kinder und die Jugendlichen interessieren und manchmal direkt berühren. In diesem Sinne ist ihre Partizipation am Entscheidungsprozess in Umwelt-fragen gerechtfertigt; diese Anforderung wurde 1992 noch von der Rio-Umweltkonferenz bekräftigt. Sie ist zwar für Kinder und Jugendliche von Belang und dient ihnen, aber sie soll auch noch der ganzen Gemeinschaft von heute und morgen zugute kommen.
Jugend, Medien und Werbung Prof. Heinz Bonfadelli, Seminar für Publizistikwissenschaften,
Universität Zürich Kinder und Jugendliche sind heute im Vergleich zu früher im Medien- und Konsum-bereich schon sehr früh von den Eltern unabhängig. Ihnen steht auch relativ viel eigenes Geld zur Verfügung. Kinder und Jugendliche stellen einen primären Markt dar, für den spezielle Kinderprodukte kreiert werden. Darüber hinaus bilden sie einen sogenannten "Beeinflussungsmarkt", indem sie in der Familie Kaufentscheidungen für Autos, Ferien, Unterhaltungselektronik etc. massgeblich mitbeeinflussen. Sie stellen darum eine wachsende Marktmacht dar und sind zu einer sehr attraktiven Zielgruppe der Werber geworden. Neben der klassischen Werbung haben sich neue Werbeformen (z.B. Product Placement und Merchandising) entwickelt, die kaum mehr zu durchschauen sind. Heranwachsende bauen sich individuell ihre verschiedenen Lebenswelten und Szenen auf. Dazu verwenden sie die vorhandenen Konsumangebote und deren Symbolcharakter. Kinder-/Jugendkultur und Konsumsphäre sind darum je länger desto mehr untrennbar miteinander verflochten. Konsumorientierungen und Umweltbewusstsein von Jugendlichen Prof. Elmar Lange, Fakultät für Soziologie, Universität
Bielefeld Auf der Basis empirischer Untersuchungen zum Jugendkonsum in Deutschland
aus dem Jahr 1996 werden sowohl verschiedene ökonomisch und ökologisch
irrationale Konsum-orientierungen als auch das Umweltbewusstsein der Jugendlichen
zwischen 15 und 20 Jahren dargestellt und auf ihre psychischen und sozialen
Bedingungen hin analysiert. Dabei geht es im einzelnen um kompensatorischen
Konsum, demonstrativen Konsum sowie umweltbelastenden Konsum. Von besonderem
Interesse ist die Gruppe der Jugendlichen, die einerseits über ein
hohes Umweltbewusstsein verfügen, andererseits aber ver-schwenderisch
konsumieren und damit faktisch zur Schädigung der Umwelt beitragen.
Erklärungen dafür, warum trotz eines hohen Umweltbewusstseins
nach wie vor umwelt-belastend konsumiert wird, setzen auf der Mikroebene
bei den einzelnen Jugendlichen, bei den Besonderheiten der Lebensphase
Jugend sowie auf der Makroebene bei der grund-sätzlichen Vereinbarkeit
von Marktökonomie und Ökologie an.
Durch Identifikation zu Verantwortungsbewusstsein: Die Partizipation von Kindern und Jugendlichen als Chance für eine nachhaltige Zukunftsentwicklung Thomas Jaun, Kinderlobby Schweiz, Zürich Die Partizipation von Kindern und Jugendlichen in Fragen, von denen sie betroffen sind, ist ein Instrument, mit dem das Verantwortungsbewusstsein junger Menschen gestärkt und nachhaltige Zukunftslösungen gefördert werden können. Dies bedingt einerseits ein Menschenbild, das auch noch nicht Menschen als Subjekte ernst nimmt und andererseits Partizipationsanlagen, die dem Einbezug von Kindern und Jugendlichen auch Taten folgen lassen. Was ist eigentlich Partizipation, welche Fragen wirft sie auf und welche Bedeutung könnte sie für die gesellschaftliche Entwicklung haben? Auf diese Hauptfragen versucht der Vortrag Antworten zu geben. Neben den Spannungsfeldern, in denen sich die Partizipation von Kindern und Jugendlichen bewegt, werden Merkmale der Partizipation, wie Formen, Methoden, Einsatzbereiche oder grundbedingungen zur Sprache kommen, um am Schluss die Chancen abwägen zu können, welche die Partizipation, nicht zuletzt im Hinblick auf eine ökologisch bewusste Zukunftsentwicklung, haben kann.
Dr. Christian Palentien, Fakultät für Pädagogik, Universität
Bielefeld Das Verhältnis Jugendlicher zur Umwelt wird oftmals unter ökologischen Gesichtspunkten betrachtet: Umwelt wird betrachtet unter dem Gesichtspunkt ihrer Zerstörung, der mit ihr zusammenhängenden Probleme aber auch der Wahrnehmung dieser Probleme und Zer-störung durch Jugendliche. Wenig Beachtung findet in diesem Zusammenhang noch immer, dass Jugendliche ihre ökologische Umwelt, Umweltprobleme oder auch Umweltzerstörung nicht losgelöst von ihrer sozialen Umwelt wahrnehmen. Im Gegenteil: Betrachtet man die neueren Stress-theorien, dann ist es vor allem die soziale Umwelt, dann ist es vor allem das Umfeld, in dem Jugendliche leben und in dem sich Jugendliche bewegen, das eine entscheidende Rolle dafür spielt, wie sie mit den aus dem ökologischen Bereich auf sie zu kommenden An-forderungen und Problemen umgehen. Dieses soziale Umfeld, also die Frage, wie und unter welchen Bedingungen Jugendliche heute aufwachsen, steht im Mittelpunkt dieses Vortrags. Gefragt werden soll darüber hinaus nach den - politischen - Konsequenzen: Wie kann das soziale Umfeld - durch mehr Beteiligung Jugendlicher - jugendgerechter gestaltet werden?
Kinder und Jugendliche: Zwischen Konsumwerbung und Selbstsozialisation. Zu neuen Konstellationen der Beeinflussung und Meinungsbildung Prof. Dieter Baacke, Fakultät für Pädagogik, Universität
Bielefeld Ausgegangen wird von der Feststellung eines erheblichen Ausmasses von
sozialem Wandel in der Moderne. Zum einen ist die Zahl der Jugendlichen,
die in informellen Gruppen leben oder sich an ihnen orientieren, im Laufe
der letzten Jahrzehnte immer stärker angewachsen. Zum anderen haben
die Gleichaltrigen neben den Eltern wichtige Funktionen vor allem bei
der psycho-sozialen und emotionalen Versorgung übernommen. Es wird
hier die These vertreten, dass Selbstaktualisierung, Intensitätsverlangen,
Sinn-findung und ein Gefühl von Kompetenz nicht nur in der Schule
oder in der Familie (die vor allem das Alltagsleben reguliert) empfunden
wird, sondern in den Gesellungen Gleich-altriger. Sie sind der Ort, an
dem Jugendliche heute ein Stück Wohlbefinden und Glück suchen.
'Jugendmilieus' dürfen nicht nur als Drogen- und Alkoholszene verstanden
werden; sie stehen auch für positiv besetzte Werte (von Ehrlichkeit,
Toleranz, Authentizität über Gewaltfreiheit, Dialogfähigkeit,
Zuverlässigkeit bis zu keine Kriege, gute Behandlung der Umwelt/Ökologie,
kein Hunger in der Welt). 'Glück' wird heute stark ausserhalb pädagogischer
Institutionen gesucht und erlangt. Wir nennen dies Selbst-sozialisation
und meinen damit, dass Kinder und Jugendliche ein grosses Stück Kompetenz
besitzen und ausarbeiten, diejenigen Bedürfnisse an Überleben,
Befriedigung und Akzeptiertsein zu erlangen, die ihnen Institutionen und
Einrichtungen vorenthalten. Sie besorgen sich diese Werte selbst: in den
Jugendmilieus.
Podiumsdiskussion: PodiumsteilnehmerInnen: Prof. Dieter Baacke, Fakultät für Pädagogik, Universität Bielefeld; Thomas Jaun, Kinderlobby Schweiz, Zürich; Prof. Ruth Kaufmann-Hayoz, Interfakultäre Koordinationsstelle für Allgemeine Ökologie, Universität Bern; Beny Kiser, SF DRS, Abteilungsleiter "Film, Serien, Jugend"; Miriam Rutishauser, Jugendvertreterin des DRS-Publikumsrates; Diskussionsleitung: Heinz Schild, Radio DRS, Regionaljournal Bern. Stand: 8.1.1998 |
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