Interfakultäre Koordinationsstelle für Allgemeine Ökologie (IKAÖ) |
Jacqueline Salamí, Marianne Tiefenbach
Seminararbeit im Hauptfach Ethnologie, Universität Bern
In den letzten Jahrzehnten hat die althergebrachte Form von gemeinschaftlichem Unterhalt und Pflege der Landschaft sowie von öffentlichen Einrichtungen (Gewässer, Wege, Weiden) zunehmend an Bedeutung verloren. In engem Zusammenhang mit diesem Bedeutungsverlust steht der grundlegende Wandel in der Landwirtschaft. Meliorationen, Mechanisierungen, andere Anbauformen und eine zunehmend geringere Verfügbarkeit von Arbeitskräften haben dazu beigetragen, dass die traditionellen Formen von gemeinschaftlichen Unterhalts- und Pflegearbeiten verdrängt oder sogar überflüssig geworden sind. In einzelnen Gemeinden lebt jedoch die Arbeitsform als Gemeinwerk, zumindest teilweise, weiter.
Das Ziel dieser Arbeit war es, in Walperswil herauszufinden, welche Bedeutung gemeinschaftliche Arbeiten für die Landschaftspflege haben. Die folgenden Seiten geben in kurzer Form die wichtigsten Resultate dieser Arbeit wieder.
Die Interviewergebnisse wurden nach den folgenden Themenbereichen zusammengefasst: Zweck, Veränderung und Entwicklung, Widerstände und Probleme sowie Zukunft des Gemeinwerks. Alle wertenden Aussagen spiegeln die Meinungen unserer Interviewpartner wieder. Die Mehrheit unserer Interviewpartner war zwischen 50 und 80 Jahre alt.
Im Vordergrund der Bedeutung des Gemeinwerks stehen die Leistung für das Allgemeinwohl und die Kosteneinsparung für die Gemeinde. Bezüglich dem Zweck der Naturerhaltung sind widersprüchliche Aussagen vorhanden.
Die Entwicklung in Richtung vermehrter Mechanisierung wird auch beim Gemeinwerk festgestellt. In den letzten Jahren wurde vermehrt das kommerzielle Angebot genutzt (gebrauchsfertiges Material für die Wegerhaltung). Im Bereich der Winterdienstarbeiten stellt man eine Reduzierung der Arbeitskräfte fest. Die erhöhte Mobilität der Einwohner führt dazu, dass die Leute anderweitig beschäftigt sind und weniger Zeit haben, um sich für Gemeinwerkarbeiten zu engagieren. Diese Entwicklungstendenz wird auch als ein Generationenproblem angeschaut.
Es sind vor allem Landwirte, die das Wegnetz benutzen. Man ist der Meinung, dass aus diesem Grunde auch mehrheitlich Landwirte das Gemeinwerk leisten. Für das Gemeinwerk engagiert sich jedoch auch die Nicht - landwirtschaftliche Bevölkerung. Tendenziell beteiligen sich eher Leute, die eine handwerkliche Grundausbildung besitzen und sich gewöhnt sind, körperliche Arbeit zu leisten. Es gibt unterschiedliche Vorstellungen, was im Gemeinwerk geleistet und wie eine Gemeinwerksarbeit ausgeführt werden kann (Wegunterhalt). Einwände gegenüber dem Gemeinwerk betreffen vor allem eine Neuregelung im Bereich der Altersbegrenzung.
Positive Auswirkungen: Das Gemeinwerk ist eine konkrete Arbeitsleistung für das Allgemeinwohl, hat einen positiven finanziellen Nebeneffekt für die Gemeinde und trägt zusätzlich zur Erhaltung der Landschaft, der dörflichen Infrastruktur und zu einer besseren Integration im Dorfe bei.
Problematische Entwicklungen: Eine Aufhebung mehrerer Bauernbetriebe infolge fehlender Nachkommen oder der Einstieg der Bauern in einen Nebenerwerb könnten zu einer Veränderung oder sogar zu einer Auflösung des Gemeinwerks führen. Für die Zuzüger ist die Durchführung des Gemeinwerks nicht verständlich genug.
Neue Tätigkeiten: Neue Ideen, insbesondere was die Strassenpflege anbelangt, sollten erwogen werden. Verschiedene neue Tätigkeiten sind vorstellbar, im Rahmen von Gemeinwerk auszuführen.
Aufhebung des Gemeinwerks: Eine Aufhebung des Gemeinwerks hätte einerseits finanzielle Folgen für die Gemeinde, was eventuell eine Erhöhung des Steuerfusses mit sich bringen könnte. Anderseits würde sich die Vernachlässigung des ganzen Wegnetzes auf die Landwirtschaft auswirken. Ebenso würden alle anderen Arbeiten, die im Gemeinwerk ausgeführt wurden, vernachlässigt. Deshalb ist ein ersatzloses Streichen des Gemeinwerks nicht denkbar.
Was den Zweck des Gemeinwerks betrifft , stehen die Leistung für das Allgemeinwohl sowie die Kosteneinsparung für die Gemeinde im Vordergrund. Da sich in der Gemeinde Walperswil keine grösseren Industriebetriebe befinden, fallen keine grösseren Steuereinnahmen an. Der Unterhalt des Wegnetzes macht den grössten Teil der Gemeinwerkarbeiten aus; es sind vor allem Bauern, die über maschinelle Infrastruktur verfügen und somit einen wesentlichen Beitrag zur Einsparung der Infrastruktur, den Lohnkosten und den Sozialleistungen beisteuern. Zu letzteren beiden tragen natürlich auch diejenigen bei, die Handgemeinwerk leisten. Nach Ansicht der Interviewpartner dienten früher keine der ausgeführten gemeinschaftlichen Arbeiten der Naturerhaltung. Erst mit der zunehmenden Ausscheidung ökologischer Ausgleichsflächen werde etwas für die Erhaltung der natürlichen Ressourcen getan. Unseres Erachtens dienten jedoch die Pflege der natürlichen Bachläufe und Gräben sowie der Unterhalt des Wegnetzes auch der Stabilisierung des ökologischen Gleichgewichts, nur hat man dies früher nicht als Naturerhaltung bezeichnet.
Massnahmen wie die Juragewässerkorrektionen, der Plan Wahlen während des Zweiten Weltkrieges und die Güterzusammenlegungen führten zu einer produktionsorientierten, auf Höchsterträge ausgerichteten Landwirtschaft. Im Zuge des in den letzten 10-15 Jahren neu aufgekommenen ökologischen Bewusstseins wurde es zunehmend wichtiger, den ehemals entfernten Naturelementen wieder ihren Platz in der Landschaft einzuräumen. Die Landschaftspflege, die im Rahmen des heutigen Gemeinwerks ausgeführt wird, geht eher von einer idealistischen Bewusstseinshaltung aus. Diese beruht zum grossen Teil auf konkrete und spürbaren Erfahrungen.
Unsere Gespräche haben gezeigt, dass sich in erster Linie Personen mit landwirtschaftlichem Hintergrund, aus handwerklichen Berufsgattungen sowie Personen, die im Dorf aufgewachsen oder bereits in einer anderen Gemeinde mit dem Gemeinwerk konfrontiert worden sind, für das Gemeinwerk engagieren. Der hohe Anteil der landwirtschaftlichen Bevölkerung sowie die geringen demografischen Veränderungen führten zu einer gewissen Kontinuität, die einerseits bewirkte, dass das Gemeinwerk allen bekannt und vertraut ist und anderseits dazu führte, dass man es auch leistet. Ein gewisser Gruppendruck innerhalb der Dorfbewohner ist u.U. unbewusst vorhanden, so dass das Nichtleisten des Gemeinwerks gar nicht zur Diskussion steht. Von den anfangs erwähnten Personen sind meistens dieselben im Einsatz.
Die Entwicklung der landwirtschaftlichen Betriebe wird für die Erhaltung des Gemeinwerks sehr ausschlaggebend sein. Mit der Aufgabe von Betrieben wird ein Teil der notwendigen Infrastruktur verschwinden und möglicherweise auch die dazu benötigte Arbeitskraft verloren gehen. Die Doppelbelastung von Nebenerwerbsbetrieben - die landwirtschaftliche Arbeit einerseits und der neue Nebenerwerbsverdienst anderseits - führen zu einer neuen Arbeitsaufteilung, so dass die Zeit für kurzfristige Arbeitseinsätze wie das Gemeinwerk nicht mehr spontan erfolgen können oder sogar vollständig ausbleiben müssen. Mit dieser Entwicklungstendenz kann die Frage nach einer hundertprozentigen Anstellung eines Gemeindearbeiters in den Mittelpunkt rücken. Aufgrund mündlicher und schriftlicher Informationen stellen wir fest, dass die Informationen über Gemeinwerkarbeiten wenig umfassend und damit für potentiell Interessierte auch wenig einladend ausgestaltet sind.
Mitbestimmend für die Diskussion über das Weiterbestehen der Gemeinwerksarbeit sind im wesentlichen:
a) die landwirtschaftliche Bevölkerung
b) die demografischen Veränderungen
c) die Informationspolitik der Gemeinde
d) die Rolle des Gemeinwerkführers
Das Weiterbestehen des Gemeinwerks braucht sowohl die "abstrakte Arbeit", Personen, welche die Gemeinwerksteuer bezahlen, wie auch Interesse und Bereitschaft der Gemeinwerkleistenden. Ein ausgewogenes Verhältnis ist von grosser Bedeutung.
Der Strukturwandel in der Landschaft und im Dorf wirkte sich auf die Entwicklung der Gemeinwerkarbeiten aus. Gewisse Gemeinwerkarbeiten verschwinden, andere werden neu geschaffen.
Erfolge in der Landschaftspflege sind abhängig:
a) vom persönlichen Engagement
b) von den finanziellen Möglichkeiten der einzelnen Grundeigentümer
c) von den Aktivitäten privater Vereine und Organisationen
Das Gemeinwerk muss in einer offenen Form organisiert, gestaltet und durchgeführt werden. Neben den Unterhaltsarbeiten öffentlicher Flächen und Anlagen stellen Arbeiten mit landschaftspflegerischem Charakter auf privaten Flächen sowie Einsätze im Sozialbereich ein wichtiges Potential für das Gemeinwerk und seine weitere Entwicklung insgesamt dar.
Dem Gemeinwerk ist ein ganzheitlicher Charakter eigen. Dies kann sich auch in der Beziehung des Einzelnen zur Landschaft in positiver Weise äussern.
Eine auch längerfristig gesicherte Zukunft des Gemeinwerks ist auf Grund unserer Studie mit den folgenden Überlegungen verknüpft:
1. Neu überarbeitetes schriftliches Informationsblatt
2. Praxisbezogene Orientierung
3. Individuell angepasste Altersbegrenzung
4. Einbezug von Einwohnern ins Gemeinwerk, die über keine maschinelle Infrastruktur verfügen
5. Aufgliederung des Gemeinwerks in administrative und organisatorische Teilgebiete
6. Keine "Muss-Pflicht"