Interfakultäre Koordinationsstelle für Allgemeine Ökologie (IKAÖ) |
Roman Frick, Geographisches Institut der Universität Bern
Die Gruppe für Wirtschaftsgeografie und Regionalforschung am Geographischen Institut der Uni Bern untersucht die Frage, welchen Beitrag «Regionale Produkteorganisationen» (RPO) zu einer nachhaltigeren Entwicklung leisten können. Dabei stehen die vier Herausforderungen Zusammenarbeit, Produkteigenschaften, Vermarktung und Rahmenbedingungen im Zentrum des Interesses. Meine Diplomarbeit ist in dieses Nationalfonds-Forschungsprojekt integriert. Sie befasst sich im speziellen mit der Herausforderung Zusammenarbeit, welche anhand des branchenübergreifenden Projekts «TouLaRe» analysiert wird.
Im Seeland fanden sich die folgenden Organisationen im Herbst 1995 zusammen und gründeten die IG «TouLaRe» (Tourismus-Landwirtschaft-Region). Es handelt sich um eine Kooperation von landwirtschaftlichen und touristischen Branchen, die versucht, neue Märkte im In- und Ausland zu erschliessen:
Es wird an dieser Stelle davon ausgegangen, dass das Projekt bei den Anwesenden bekannt ist, und deshalb werden die verschiedenen Teilprojekte (TP´s) und Aktivitäten nicht näher vorgestellt, sondern direkt Untersuchungsergebnisse präsentiert.
(Informationen sind beim Projektleiter erhältlich:
Fritz Burkhalter, BNPO, Wässermatte 5, 3324 Hindelbank)
Die Diplomarbeit hat gezeigt, dass auch in einem regionalen Kooperationsprojekt sich eine Arbeitsteilung, wie sie das betriebswirtschaftliche Promotoren-Modell vorgibt, recht gut beobachten lässt und für die Projektentwicklung von grosser Bedeutung ist: (1) Machtpromotoren mit ihren Kontakten und (politischen) Einflussmöglichkeiten, (2) Fachpromotoren mit ihren genauen Kenntnissen der Materie und schliesslich (3) die Prozesspromotoren, die den ganzen Prozess vorantreiben und die Akteure an einen Tisch bringen. Mit einer Trennung dieser verschiedenen Funktionen können die spezifischen Fähigkeiten der Akteure effizienter genutzt werden und diese werden von der Vorstellung entlastet, für alles zuständig zu sein.
Es zeigt sich nun aber im «TouLaRe», dass die verschiedenen Aufgaben unterschiedlich engagiert angegangen werden und insbesondere einzelne VertreterInnen in der Trägerschaft (Machtpromotor) zu passiv sind. Abhängig von diesem persönlichen Engagement und der internen Struktur einzelner Träger-Organisationen ist es vor allem den touristischen Branchen noch nicht gelungen, ihre Basis für die Projektideen zu mobilisieren. Das «TouLaRe» verfügt über einen sehr initiativen Projektleiter (Prozesspromotor). Dieser bestimmt zusammen mit wenigen aktiven Teilprojekt-LeiterInnen (Fachpromotor) den Projektverlauf. Oder anders gesagt: Die Abhängigkeit von wenigen sehr engagierten Persönlichkeiten ist stark.
Die Restriktionsanalyse zeigt, dass noch weitere Probleme der Zusammenarbeit bestehen. In der branchenübergreifenden Trägerschaft sind sehr unterschiedliche wirtschaftliche Interessen vertreten und die Mitglieder geben den Eigen- oft mehr Gewicht als den Fremdinteressen. Am meisten Nutzen sehen nach wie vor die landwirtschaftlichen BranchenvertreterInnen, wogegen die TouristikerInnen sich mit dieser Nutzensicht schwer tun und deshalb bei der konkreten Realisierung von Teilprojektideen ziemlich abseits stehen. Dies wiederum lässt sie gegenüber den aktiveren Leuten als Aufsitzer und Trittbrettfahrer erscheinen. Die Arbeit zeigt, dass insbesondere nach 1-2 Jahren - also in einer Phase, in der häufig Ermüdungserscheinungen auftreten - solche Motivationsverluste den Kooperationsprozess entscheidend beeinflussen können. Es ist deshalb sehr wichtig, dass aktiv Beteiligte einerseits Anerkennung für ihre geleistete Arbeit erhalten, andererseits längerfristig auch Arbeit an andere abgeben können. Letzteres wird wiederum mit einer verbesserten Arbeitsteilung im Sinne des Promotoren-Modells erleichtert.
Die Fallstudie und auch der Vergleich mit anderen Schweizer Projekten im Rahmen der «Querschnittsanalyse» zeigen, dass weniger ein ungenügendes Informiertsein (Nicht-Wissen) und auch nicht unbedingt technische, gesetzliche oder finanzielle Hürden (Nicht-Können) die Zusammenarbeit behindern. Ersteres ist vorwiegend ein Problem der Kommunikation gegen Aussen und weniger innerhalb des Projektmanagements. Mit den Aspekten des Nicht-Könnes scheint man sich - mit Ausnahme z.B. der Handelsbarrieren beim «TouLaRe»-Teilprojekt München - zu arrangieren. Es sind also vor allem die verschiedenen Willensaspekte, durch die eine Innovationskooperation herausgefordert wird.
Wenn man die Herausforderungen der Zusammenarbeit mit den übrigen untersuchten 44 RPO´s vergleicht kommt man zu folgender Gegenüberstellung:
Restriktion | «TouLaRe» | Übrige Schweizer Projekte | ||
Nicht-Können | höchstens Teilprojekte sind betroffen | *** | Finanzierung allgemein gesetzliche Grundlagen Exportrestriktionen | **** |
Nicht-Wissen | Interne Kommunikation (Probleme im Marketing) | ** (****) | Interne Kommunikation (Probleme im Marketing) | ** (*****) |
Nicht-Wollen Wirtsch. Eigen- versus Fremd- interessen | v.a. Tourismusbranche | ***** | v.a. Gastgewerbe + Metzger, z.T. auch Biobetriebe | **** |
Motivations-verluste |
Trittbrettfahrer-Gefühle Sympathien/Antipathien zwischen PromotorInnen |
***** |
Vorurteile, Misstrauen, Abwarte-Haltungen |
*** |
Unsicherheiten in Innovationsprozessen | Weniger bei aktiv Beteiligten, stärker bei der Seeländer-Bevölkerung | ** | Metzger wenig Unternehmertum Hoteliers trad. Denkmuster Bauern fehlende langfristige Perspektive | **** |
Gegensätzliche Strategieansätze | Grundlegene Zielsetzungen Konkrete Gestaltung von Teilprojekten | *** | keine Angaben | |
Gewichtung der Restriktion: * gering *** mittel ***** stark |
Regionale Produkteorganisationen als Trendsetter?
Im Zwischenbericht des übergeordneten Forschungsprojektes wird aufgezeigt, wo solche RPO´s im Vergleich zur herkömmlichen Produktionsweise neue Akzente in Richtung einer nachhaltigeren Entwicklung leisten:
Regionale Produkteorganisationen versus | Herkömmliche Produktionsweise |
Kleine Kreisläufe (produktspezifische Regionalisierung) |
Internationalisierung der Lebensmittelmärkte |
Regionale Differenzierung | Standardisierung der Produktion |
Transparente Angebotsleistung | Anonymisierung des Angebots |
Eigenverantwortlichkeit und differenzierter Genuss | Convenience-Welle |
Regionaler Interessenverbund | Rückzug der Politik aus dem Agrarmarkt |
Erhöhung der regionalen Wertschöpfung | Verlagerung der Wertschöpfung innerhalb der Produktionskette |
Es wird in diesem Bericht folgendes (vorläufiges) Fazit gezogen: Die direkte Wirkung von RPO´s als Trendsetter ist - wenn man ihre (momentan noch) geringe marktlich-quantitative Bedeutung betrachtet - klein. Ihre Bedeutung liegt denn auch vielmehr in den indirekten, eher qualitativen Wirkungen: in der Etablierung neuer Qualitätsstandards und im Wecken neuer Konsumentenbedürnisse.
Da es sich bei den RPO´s nach wie vor um ein «junges Phänomen» handelt, können verschiedene Fragen noch nicht abschliessend beantwortet werden: Können sie z.B. auf dem breiten Markt auch längerfristig Fuss fassen und so ihre obgenannten Trendsettings entfalten? Oder besteht ein grundsätzliches Dilemma zwischen den heutigen Marktstrukturen und den Erfordernissen einer nachhaltigen Ernährung? Klar zum Ausdruck kommt hingegen, dass RPO´s nur dann längerfristig überleben werden, wenn es ihnen gelingt (a) ihr Know-How entlang der Produktionskette in innovativen und lernfähigen Kooperationen zusammenzufassen und (b) mit ihren Produkten neue, nachhaltigere Qualitätseigenschaften zu etablieren.
Grundlagen und Bezugsquellen:
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Roman Frick, Bubenbergstr. 19, 3700 Spiez,Tel. 033/654 05 43< |
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Geographisches Institut, Kurt Hofer/Ueli Stalder, Hallerstr. 12, 3012 Bern, Tel. 031/631 88 71 |