IKAÖ - Öffentliche
Vortragsreihe Grosschutzgebiete
Grossschutzgebiete und Nachhaltigkeit
Vom Naturschutz zur nachhaltigen Regionalentwicklung: So kann
die aktuelle Diskussion um die Bedeutung der Grossschutzgebiete
umschrieben werden. Auch in der Schweiz ist eine breite Debatte
im Gang.
Erwähnt seien das Biosphärenreservat Entlebuch, das Weltnaturerbegebiet
Aletsch oder die Nationalparkprojekte. Die Frage stellt sich: Können
Schutzgebiete den hohen Anspruch auch einlösen?
Vom Naturschutz zur Nachhaltigkeit
Die Diskussion um Schutzgebiete ist ein Abbild der ökologischen
Reflexion der letzten Jahrzehnte. Im Anschluss an die erste globale
Umwelt-Konferenz 1972 in Stockholm ging es darum, weltweit grossflächige
Schutzgebiete auszuscheiden. Das Ziel war, dem Artenschwund und
der grossräumigen Naturzerstörung wenigstens regional
Einhalt zu gebieten. Unterdessen gibt es weltweit bereits über
13'000 Grossschutzgebiete. Obwohl darin ein grosser Teil der Arten
lebt, ist der Erhalt der Artenvielfalt nicht gesichert. Viele Gebiete
sind bedroht, werden zunehmend zu Inseln und somit zu klein v.a.
für die Fauna, werden genutzt bzw. übernutzt, u.a. landwirtschaftlich,
forstwirtschaftlich und touristisch.
Grossschutzgebiete sind aber nicht nur Lebensraum für Pflanzen
und Tiere, sondern auch Wirtschafts-, Freizeit- und Kulturraum für
Menschen. Zwangsumsiedlungen, Widerstände der lokalen Bevölkerung
und Naturzerstörungen haben zu einem Umdenken beigetragen.
Neben dem Schutz sind unterdessen die nachhaltige Entwicklung oder
die Sensibilisierungs- und Ausbildungsfunktion weitere wichtige
Ziele. Die Erkenntnis hat sich durchgesetzt, dass Naturschutz nicht
gegen, sondern nur mit dem Menschen erfolgreich sein kann.
Biosphärenreservate als Modelle?
Dieser Wandel widerspiegelt sich eindrücklich im UNESCO-Biosphärenreservat-Konzept.
Ab 1976 entstand das Weltnetz der UNESCO-Biosphärenreservate,
das unterdessen über 400 Reservate umfasst, u.a. auch das Entlebuch.
Seit den Nacharbeiten zur Rio-Konferenz werden neben dem Artenschutz
auch die Erhaltung der kulturell bedingten Biodiversität, die
Vorbildfunktion als Raumplanungsmodell und Experimentierraum nachhaltiger
Entwicklung und die Nutzung für Forschung, Monitoring und Bildung
angestrebt. Der Mensch als handelndes Subjekt in bzw. als Teil der
Natur rückt ins Zentrum der Betrachtung. Die Umweltperspektive
wird durch eine Mitweltperspektive abgelöst. Biosphärenreservate
wollen nichts geringeres als Vorbild- und Modellregionen nachhaltiger
Entwicklung sein.
National-, Regional- und Landschaftsparks
Andere Konzepte wie National-, Regional- und Landschaftsparks verfolgen
ähnliche Ziele. Je nachdem stehen der Naturschutz und der Erhalt
der Artenvielfalt (Nationalparks), die Regionalwirtschaft (Regionalparks)
oder die Entwicklung der Kulturlandschaft (Landschaftsparks) im
Vordergrund. Man will verträgliche Nutzungsformen erhalten,
den sanften Tourismus fördern, die regionale Identität
stärken und der lokalen Bevölkerung Perspektiven schaffen.
Neben den Hoffnungen machen sich aber auch Ängste und Zweifel
bemerkbar. Wird die Selbstbestimmung und die bisherige Nutzung gewahrt
bleiben? Oder gibt es unverhältnismässige Einschränkungen?
Grossschutzgebiete – Instrumente nachhaltiger Entwicklung?
Mit den zusätzlichen Aufgaben stellen sich auch neue Fragen.
Welches sind regionalökonomische, kulturlandschaftliche und
identitätsstiftende Potentiale? Wie kann die landschaftliche
und kulturökologische Vielfalt erhalten werden? Wie können
Synergien zwischen Naturschutz und Regionalwirtschaft erzeugt, die
lokalen Akteurgruppen und Kulturformen in die Entwicklung eines
Schutzgebietes eingebunden werden? Welches sind institutionelle
Bedingungen und Erfolgsfaktoren? Antworten gibt die Öffentliche
Vortragsreihe des Forums für Allgemeine Ökologie.
Thomas Hammer, IKAÖ
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