Interfakultäre Koordinationsstelle für Allgemeine Ökologie (IKAÖ) |
Prof. Martin Birkhäuser
Universitätsfrauenklinik Bern, Abteilung für gynäkologische Endokrinologie
In den industrialisierten Staaten beobachten wir, bezogen auf die Gesamtbevölkerung, einen progressiven Rückgang der jährlichen Geburtenzahlen. Dies könnte sich durch oekonomische und gesellschaftspolitische Faktoren erklären, doch würde dies nicht die im gleichen Zeitraum beobachtete Zunahme von unfreiwilliger Kinderlosigkeit erklären. Die unfreiwillige Kinderlosigkeit hängt zum Teil mit dem seit 1900 signifikant angestiegenen Alter bei der Geburt des ersten Kindes zusammen, also einem mütterlichen Faktor. Da wir jedoch parallel dazu über Daten verfügen, welche zeigen, dass die Samenqualität beim Manne im gleichen Zeitraume kontinuierlich abgenommen hat, kommen auch andere Erklärungsmodelle in Frage. Es gibt Hinweise darauf, dass diese Verschlechterung der Samenqualität vor allem hoch-industralisierte Regionen betrifft, bei denen die Umweltbelastung überdurchschnittlich angestiegen ist. Von Beobachtungen beim Tiere wissen wir, dass hormonaktive Stoffe die normale Entwicklung der Geschlechtsorgane behindern und im Extremfalle zu einer Sterilität führen können. Solche hormonaktive Stoffe werden gerade bei bestimmten Industrieprozessen unfreiwillig freigesetzt. Zu diesen Stoffen zählen zum Beispiel Weichmacher in der Plastikindustrie und Inhaltsstoffe von Sonnenschutzmitteln. Gelangen solche Substanzen in die Umwelt, und damit ins Trinkwasser, so ist nicht ausgeschlossen, dass sie auch beim Menschen Veränderungen an den Fortpflanzungsorganen auslösen. Es stellt sich heute somit die Frage, ob die Verminderung der Fruchtbarkeit beim Manne auf solche Mechanismen zurückgehen könnte. Könnte dies dazu führen, dass der Mensch ausstirbt, wenn nicht bald entsprechende Massnahmen getroffen werden?