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Interfakultäre Koordinationsstelle für Allgemeine Ökologie (IKAÖ)

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Veranstaltungen

Forum - Öffentliche Vortragsreihe 2005

Kosmetika – Neue Dimensionen in der Toxikologie?

Margret Schlumpf
Stefan Durrer, Kirsten Maerkel, Peter Schmid*, Marianne Conscience, Manuel Henseler, Catharine Gaille, Melanie Grütter, Ingrid Herzog, Sasha Reolon, Vreni Haller, Oliver Faass, Eva Stutz*, Hubertus Jarry**, Wolfgang Wuttke**, Walter Lichtensteiger

Institut für Pharmakologie und Toxikologie, Universität Zürich, Zürich, EMPA,* Dübendorf, Zürich. Schweiz
Abteilung Klinische und Experimentelle Endokrinologie**, Georg August Universität Göttingen, Göttingen, Deutschland

Neue Umweltchemikalien: Gemäss der Konsumentenorganisation Colipa setzen sich Kosmetika aus über 10 000 Chemikalien zusammen, deren Toxizitätsprofil zumeist wenig abgeklärt ist. Kosmetika wie synthetische Parfümstoffe oder gewisse UV Filter werden über die Haut aufgenommen und sind dann in Blut und Urin nachweisbar. Von der Haut werden diese Substanzen abgewaschen und gelangen über Abwasser und Kläranlagen in Gewässer und Wasserorgan-ismen, und von dort in die Nahrungskette von Mensch und Wildtieren. Der Mensch ist somit doppelt exponiert, über die Haut und über die Nahrungskette. Kinder und Säugetierjunge können über die Milch belastet werden. Bis heute gibt es nur wenige Indikatoren von Belastungen durch neuere Chemikalien für Wildtiere, fast keine für den Menschen. Vereinzelte Arbeiten berichten über die Präsenz von Kosmetika, vorab synthetischen Parfümstoffen und UV Filtern, in Fischen und in der Humanmilch. UV Filter werden in zunehmenden Mengen (steigende Schutzfaktoren) als Sonnen- und Produkteschutz eingesetzt.
Neue Wirkungen: Vertreter der chemisch heterogenen Gruppe von UV Filtern wurden auf hormonelle Aktivität geprüft. In vitro induzierten 8 von 10 Substanzen in MCF-7 Zellen Zellproliferation, was heisst, dass sie hormonell- (Estrogen) aktiv sind. 6 UV Filter waren auch positiv im akuten in vivo Test, der den Einfluss dieser Chemikalien auf das Wachstum des unreifen Rattenuterus (im Vergleich zu Estrogen) misst. Diese beiden Akut-Tests dienen nur der Identifikation von Chemikalien als endokrin aktiv.
Sensitive Lebensphasen: Risikorelevant sind Langzeiteffekte endokriner Disruptoren. Wegen der hohen Sensitivität von Entwicklungsprozessen für Sexualhormone wurde die Wirkung von 4-MBC (4-Methylbenzylidene camphor) und 3-BC (3-Benzylidene camphor) an Ratten der F1-Generation untersucht, die während der prä- und postnatalen Ent-wicklung und bis ins adulte Alter diesen Chemikalien exponiert waren. Der Test zeigte für beide Substanzen eine deutliche Verringerung der perinatalen Ueberlebensrate, eine verspätete Pubertät bei den Männchen, und differente Gewichte der Reproduktionsorgane.
Genexpressionsmuster: Die Expression und Estrogen-Sensitivität von spezifisch Estrogen-regulierten Genen war in den Reproduktionsorganen und in Gehirnregionen, die für Sexualfunktionen relevant sind, verändert. Parallel zu Veränderungen des mRNA-Expressionsmusters wurden auch Konzentrationsänderungen der betreffenden Proteine nachgewiesen. Verschiedene endokrine Disruptoren mit ähnlicher Wirkung in Akuttests können nach unseren Daten teils ähnliche, teils aber auch unterschiedliche Genexpressionsmuster bei Exposition während der Ontogenese verursachen.
Risikobeurteilung: Niedrigdosiseffekte und Stoffgemische. Besonders bei endokrin aktiven Fremdstoffen muss berücksichtigt werden, dass Dosis-Wirkungsbeziehungen bei Langzeitexposition sich von Akutdaten stark unterscheiden. In den akuten Tests ergibt sich für 4-MBC ein Unterschied der Wirkungsstärke zwischen körpereigenem Hormon (Estradiol) und Fremdstoff (4-MBC) von 2.4 x 106 in vitro (MCF-7 Zellen), bzw. 380’000 in vivo (uterotropher Test). In der entwicklungstoxikologischen Studie reduziert sich der Unterschied in der Wirkungsstärke Estradiol / Fremdstoff auf den Faktor 50, d.h. der Fremdstoff 4-MBC, ist bei chronischer Exposition wesentlich wirksamer relativ zu Estradiol, als in akuten Testsystemen. Für 4-MBC wurde ein NOAEL (No Observed Adverse Effect Level)) von 0.7mg/kg/Tag und für 3-BC ein LOAEL (Lowest Observed Adverse Effect Level) von 0.23mg/kg/Tag ermittelt. 4-MBC-Konzentrationen im Fettgewebe adulter F1-Tiere lagen beim 4-MBC-LOAEL (7 mg/kg/Tag), im Bereich von Konzentrationen in Fischen. Einfache pauschale Hochrechnungen zur Risikobeurteilung endokriner Disruptoren sind angesichts von komplexen Expositionssituationen, Stoffgemischen, Niedrigdosiseffekten und unterschiedlichen Wirkungsspektren nicht akzeptabel. Zu fordern ist eine genaue vergleichende Analyse experimenteller Daten mit internen Expositionsdaten und Erheben des NOAEL/LOAEL mittels hochempfindlicher Endpunkte während sensitiver Phasen der zu testenden Spezies. Solche Daten sind weder für Säuger noch für andere Spezies derzeit verfügbar.

Interfakultäre Koordinationsstelle für Allgemeine Ökologie (IKAÖ) der Universität Bern (1988-2013)
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