Interfakultäre Koordinationsstelle für Allgemeine Ökologie (IKAÖ) |
Dr. Monika Dommann
Universität Zürich, Forschungsstellefür Sozial- und Wirtschaftsgeschichte
Vortrag im Forum für Allgemeine Ökologie der Universität Bern, 10.1.2006
Zusammenfassung:
Wenn im Referat der Versuch unternommen wird, Lärm zu historisieren, wird von einem Wahrnehmungsphänomen die Rede sein. Lärm wird als sozialer Begriff verstanden, der auf Phänomene zielt, die vom Menschen als Störung wahrgenommen werden. Ein Blick auf die historische Semantik des Lärmbegriffs zeigt, dass der Begriff in den vergangenen 150 Jahren markante Bedeutungsverschiebungen erfahren hat. Lärm wird um die Mitte des 19. Jahrhundert als negativ konnotierter Schlüsselbegriff des Modernisierungsprozesses besetzt und mit neuen Sinninhalten gefüllt. In diesem Zeitraum wird Lärm nicht etwa mit „Umweltverschmutzung“ oder „Immissionen“ in Verbindung gebracht wie heute, sondern mit den unbeabsichtigten Nebenfolgen der Moderne und den virulenten sozialen Konflikten, d. h. dem Klassen- und Kulturkampf. In den 1920er Jahren wird Lärm ein Gegenstand naturwissenschaftlicher Untersuchungen. In diesem Zusammenhang verdichtet sich ein neues Bedeutungsgewebe von Lärm, wobei die Sorge um Gesundheit und Effizienz im Zentrum steht. Es werden nun erstmals Dezibel gemessen, Arbeitseffizienzen berechnet, physiologische Effekte beobachtet, Materialen getestet und Menschen befragt. Eng verknüpft mit der Verwissenschaftlichung des Lärms sind die Bestrebungen der Verrechtlichung zu sehen, die Lärm objektivieren und zum Gegenstand von Steuerung erklären. Schliesslich öffnet sich in den 1970er Jahren mit dem Umweltbegriff ein neues Raster zur Wahrnehmung von Lärm. Ich werde im Referat zeigen, dass es sich lohnt darauf zu achten, was auch noch mitschwingt, wenn Lärm erlitten, bekämpft, verrechtlicht oder verwissenschaftlicht wird.