Interfakultäre Koordinationsstelle für Allgemeine Ökologie (IKAÖ) |
Rainer Guski, Fakultät für Psychologie, Ruhr-Universität Bochum
Vortrag im Forum für Allgemeine Ökologie der Universität Bern, 17.1.2006
Zusammenfassung:
Viele Menschen glauben, dass der Umweltlärm heute schlimmer sei als vor einigen Jahren. Ist diese Meinung das Ergebnis genereller defätistischer Tendenzen, oder lässt sie sich an Daten prüfen? Fragen wir nach zeitlichen Trends der akustischen Umweltbelastung, so erhalten wir widersprüchliche Ergebnisse: einerseits steigt die Anzahl von motorisierten Fahrzeugen seit Jahren weltweit, insbesondere steigt die Anzahl der Flugbewegungen rasant, andererseits sinken die flugbedingten Mittelungspegel an Flughäfen, während die Mittelungspegel des Autoverkehrs steigen. Fragen wir nach den zeitlichen Trends der von Betroffenen bewerteten Lästigkeit von Lärm, so zeigt sich bei der Lärmbelästigung durch Autos kein einheitlicher Trend, wohl aber bei der Lärmbelästigung durch Flugzeuge: Im Durchschnitt zeigten die Anwohnerinnen und Anwohner europäischer Flughäfen im Jahre 2000 ähnlich starke Belästigungen wie vergleichbare Anwohnerinnen und Anwohner im Jahr 1980 bei 7 - 10 dB höherer akustischer Belastung! Mit anderen Worten: Die Fluglärm-Betroffenen reagieren heute bei vergleichbarer energetischer Belastung weitaus stärker belästigt als früher. Für diese Entwicklung kommen verschiedene Erklärungen in Frage, darunter
(a) die Bevölkerung reagiert stärker auf die Anzahl von Flugbewegungen und die Dauer von Lärmpausen als auf den Mittelungspegel,
(b)die Bevölkerung reagiert stärker auf akustische Belastungen am Morgen und am Abend als während der Tagesmitte,
(c) heutige Flughäfen sind selten in einem „stationären Zustand“, sondern eher in kontinuierlicher Änderung (Erweiterung) begriffen, und die Bevölkerung zeigt die bei Änderungen typischen „Überschusseffekte“,
(d) heutige Menschen sind generell weniger tolerant gegenüber Bedrohungen ihrer Gesundheit durch Umweltfaktoren,
(e) die Bevölkerung fragt heute kritischer, ob die für Lärmschutz Verantwortlichen genügend tun, um die Bevölkerung vor Fluglärm zu schützen.
Diese Fragen und Konsequenzen für die Lärmschutzpolitik (z.B. Planfeststellungsverfahren, Bewertung von Änderungen) werden im Vortrag diskutiert.