Interfakultäre Koordinationsstelle für Allgemeine Ökologie (IKAÖ) |
Dissertationsprojekt von:
Silvia Ulli-Beer
Betreut von:
Prof. Dr. M. Schwaninger, Universität St. Gallen
Prof. Dr. R. Kaufmann-Hayoz, Universität Bern
Laufzeit:
2000 bis 2003
Ziele
In diesem Dissertationssprojekt wird ein systemdynamisches Modell
für das Abfallmanagement in der Gemeinde entwickelt. Aufbauend
auf den im Modell nachgebildeten Systemstrukturen sollen für
die lokale Abfallpolitik verschiedene Szenarien, Strategien, Massnahmen-
und Instrumentenkombinationen entwickelt und getestet werden, mit
welchen die Voraussetzungen für umweltverantwortliches Handeln
im Abfallbereich verbessert werden.
Das Modell soll den Entscheidungsträgern helfen, ein Führungssystem
aufzubauen, das ihnen ermöglicht, den komplexen Handlungsbereich
„Abfall“ besser steuern zu können – im Sinne
einer Erhöhung des Verhaltensrepertoires des Gemeindemanagements,
gemäss Ashby’s Varietätsgesetz („Nur Varietät
kann Varietät absorbieren“ Ashby 1974).
Ausgangslage
Obwohl die Vermeidung von Abfällen das oberste theoretisch-konzeptionelle
Prinzip der Abfallpolitik ist, widerspiegelt die heutige Situation
in der Abfallbewirtschaftung in Gemeinden vor allem eine Verwertungs-
und Recyclingstrategie. Die Gemeindebehörden von Ittigen (Gemeinde
in der Agglomeration Bern, mit rund 11'000 Einwohnern) beispielsweise
zeigen sich besorgt über die Entwicklung im Abfallbereich.
Einerseits haben sie Mühe, eine verursachergerechte Gebührenpolitik
einzuführen, andererseits steigen die zu entsorgenden Mengen
an Abfällen und Wertstoffen und somit die Kosten für die
Abfallentsorgung. Ausserdem besteht eine Tendenz zu vermehrter illegaler
Entsorgung. Ausgehend von diesen Beobachtungen knüpft die Modellierungsarbeit
bei folgender dynamischen Hypothese an: (vgl. Sterman, J.D. (2000).
Business Dynamics. Systems Thinking and Modeling for a Complex World.
Boston, Irwin McGraw-Hill.)
Dynamische Hypothese:
„Können die Anreize und
die Strukturen in der Gemeinde für das Abfallvermeidungsverhalten
der Bevölkerung nicht verbessert werden (durch die Ausnutzung
des gesamten Spektrums unterschiedlicher Grenzvermeidungskosten),
führen steigende Kosten der Abfallbewirtschaftung, mehrheitlich
verursacht durch die Separatsammlungen, zu unkooperativem Verhalten
der Bevölkerung (vermehrte Schwarzentsorgung, politischer
Widerstand gegen erneute verursachergerechte Gebührenerhöhungen).
In der Folge nimmt die Umweltbelastung und durch Kontrollmassnahmen
auch der Verwaltungsaufwand in der Gemeinde zu (abnehmende ökologische
und ökonomische Effizienz).“
Damit sich die lokale Abfallpolitik und -bewirtschaftung in die
gewünschte Richtung entwickelt, muss ein lokales Managementsystem
aufgebaut werden, das die bestehenden Handlungspotentiale zur Beeinflussung
gemeindeinterner Einflussfaktoren optimal nutzt, um die gesamten
anfallenden Abfallmengen zu reduzieren (Aufbau geeigneter Organisations-,
Verwertungs- und Entsorgungsstrukturen, Erarbeitung eines zielführenden
kostendeckenden Gebührenreglements, einer klaren Kommunikationsstrategie,
Förderung gewünschter Handlungsmöglichkeiten, anbieten
von koordinierten Dienstleistungen u.a.).
Methode
Um das komplexe und dynamische System einer zielgerichteten Abfallbewirtschaftung
zu erfassen, erforschen und gestalten zu können, wird die von
Schwaninger 1997. entwickelte „Integrative Systems Methodology“
gewählt (Schwaninger, M. (1997). “Integrative Systems
Methodology: Heuristic for Requisite Variety.” International
Transactions in Operational Research 4(2): 109-123). Dies ist eine
allgemeine Methodik für den Umgang mit komplexen Managementproblemen,
die Organisationskybernetik und System Dynamics kombiniert. Durch
den Einbezug der Gemeindebehörden und der Akteure der Entsorgungsbetriebe
mit der Methode des „Group Model Building“ (Vennix,
J. A. M. (1996). Group Model Building, Facilitating Team Learning
Using System Dynamics. Chichester, John Wiley & Sons) wird gewährleistet,
dass die Entscheidungsträger entsprechend ihrer Problemstellung
den Aufbau und die Annahmen des Modells mitgestalten können
und Vertrauen in das Modell gewinnen. Die Modellbildung unterstützt
somit einen längerfristigen zielorientierten Planungsprozess,
in welchem verschiedene Entwicklungsszenarien diskutiert werden
können und mündet in ein sorgfältig validiertes Gestaltungsmodell
für die zukünftige Entwicklung der Abfallbewirtschaftung.
Die Anwendung der „Integrative Systems Methodology“
für das Gemeinde- insbesondere das Abfallmanagement ist in
dieser Form erstmalig und erprobt ein innovatives Vorgehen für
die wissenschaftliche Erarbeitung eines praxisrelevanten Lösungsansatzes.
Finanzielle Unterstützung
Die Vorstudie zu dieser Dissertation wurde an der IKAÖ im Rahmen
des Projekts „Umweltverantwortliches
Alltagshandeln in kommunalen Umfeldern“ und des Out-Phasing-Projekts
„Planet 21“
des IP „Strategien und Instrumente“
des Schwerpunktprogramms Umwelt (SNF) erarbeitet. Die Hauptstudie wird durch einen Beitrag
aus dem Grundlagenforschungsfonds der Universität St. Gallen
finanziert.